Die Debatte um die Gefahren für den Freihandel wurde auch am Wochenende geführt.

Foto: China OUT

Wien – Für Chinas neuen Zentralbankchef Yi Gang war es der erste öffentliche Auftritt seit seiner Wahl. Mit 3,1 Billionen US-Dollar Devisenreserven, verstärkter Aufsichtsmacht über Chinas Geldhäuser und Versicherungen und einem zur internationalen Reservewährung aufgewerteten Renminbi, herrscht der 60-Jährige über eine der großen Notenbanken der Welt. Vor globalen Konzernführern und Politikern des Auslands verbreitete er auf einer Pekinger Großkonferenz am Sonntag Zuversicht bezüglich der Wirtschaft seines Landes.

Alle Signale von der Weltwirtschaft bis zur "stabilen und positiven Binnenentwicklung" zeigten auf Grün. Und das mitten im Umschwung von Chinas Wirtschaft zu einem innovativen und nachhaltigen Qualitätswachstum. Er setze auf Liberalisierungen bei den Finanzreformen und auf Entschuldung der Staatsunternehmen. Mit einer "neutralen und mit Augenmaß" gestalteten Geldpolitik werde er Chinas Realwirtschaft unterstützen, damit sie "stabil Kurs hält".

Gerüstet gegen US-Zölle

Dann wurde Yi die Frage aus dem Publikum gestellt, ob US-Präsident Donald Trump mit seinen angedrohten massiven Strafzöllen auf Chinas Importe den schönen Plänen nicht einen Strich durch die Rechnung mache. Yi konterte selbstbewusst: Chinas Wirtschaft und die Unternehmen müssten ihre Hausaufgaben machen, Verantwortung übernehmen, nicht alles dem Staat aufbürden. Aber China sei "gut gerüstet, um externe Schocks auszuhalten".

Bei den illustren Teilnehmern des China Development Forum in Peking kam so viel Optimismus gut an. Doch der jüngste Schlagabtausch zwischen den USA und China überschattete das Forum. Die Vorgeschichte: Trump hatte unter gegen Peking gerichteten Vorwürfen unfairer Wirtschaftspraktiken und des Diebstahl geistigen Eigentums bekanntgegeben, er wolle innerhalb der kommenden zwei Monate Strafzölle gegen Importe von mehr als 1000 Produkten aus der Volksrepublik China in Höhe von 60 Milliarden Dollar verhängen. Peking hatte mit Gegendrohungen reagiert.

Furcht vor Eskalation

Die Furcht vor einer Eskalation zum Handelskrieg ging am Wochenende weltweit um. Auch auf dem Forum. Dramatisch warnte etwa der frühere US-Finanzminister Lawrence Summers bei seinem Vortrag: "Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben mehr langfristige Sorgen bezüglich der Zukunft der globalen US-China-Wirtschaftsbeziehungen gehabt zu haben als jetzt."

Eigentlich hatte der Staatsrat seine am Samstag begonnene dreitägige Großkonferenz unter dem Titel "China in der neuen Ära" ganz anders geplant. Er wollte den Anlauf Chinas zur Weltmacht nach den Neuwahlen von Partei und Regierung würdigen und zugleich "40 Jahre Reformen und Öffnung" feiern, die 2018 ihr Jubiläum haben. Zur teilnehmenden Unternehmerelite gehören auch deutsche Konzernlenker von Daimler, Allianz, Siemens, Thyssenkrupp, BASF und Heraeus. Gemeinsam war ihnen die plötzliche Erkenntnis, dass sie ein Handelskrieg zwischen Peking und Washington böse treffen würde.

Appell von Apple

Für Apple-Chef Tim Cook, der als "Co-Chair" neben Vizepremier Han Zheng, einem der neuen sieben mächtigsten Männer Chinas, die Großkonferenz eröffnete, wurde es ein Drahtseilakt. Für Apple ist die Volksrepublik der drittgrößte Weltmarkt für seine Apps, Plattformen und für iPhones. Cook bekannte sich zur Globalisierung, aber ohne Trump zu kritisieren oder überhaupt zu erwähnen. Am Vortag hatte er China geraten, nicht zu sehr auf die Pauke zu hauen: "Ruhige Köpfe werden sich durchsetzen." Cook empfahl, anders als üblich zu rechnen: "Eins plus eins ist drei". Das funktioniert aber nur, wenn China und die USA über ihren Schatten springen, zusammenarbeiten und den Kuchen größer machen. Davon ist derzeit keine Rede.

Chinas früherer Finanzminister Lou Jiwei, Chef der chinesischen Sozialfonds mit ihrem gigantischen Einlagekapital von umgerechnet 320 Milliarden Dollar, nannte auf dem Plenum "40 Jahre Reformen und Öffnung in China" Chinas Verhältnis zu den USA das größte internationale Problem seiner Reformen. Chinas Handelsministerium habe bislang auf die Drohungen Trumps mit möglichen Vergeltungszöllen gegen US-Produkte im Wert von drei Milliarden eher "sanft" reagiert. Hätte er noch sein Regierungsamt, wäre das anders. Er würde "zuerst die Importe von Sojabohnen stoppen, dann die von Autos und schließlich die von Flugzeugen". Lou machte mit einem Scherz klar, dass er diese Drohung noch nicht ernst meinte: Die Europäer im Saal sollten "sich nicht zu früh freuen". Er sehe Trump als Geschäftsmann an, mit dem sich verhandeln lasse.

Ein gutes Zeichen ist, dass Peking und Washington miteinander sprechen. Am Samstag telefonierte Chinas Topunterhändler und neu ernannte Vizepremier für Finanzpolitik Liu He mit US-Finanzminister Steven Mnuchin. Liu habe gegen die geplanten Strafzölle protestiert, meldete die Nachrichtenagentur Xinhua. Beide Seiten wollten "weiter im Gespräch bleiben".

Unterhändler Liu hatte vor Verkündung der US-Strafzölle in Washington versucht, sie in letzter Minute abzuwenden, das misslang.

"Unkontrollierbare Variable"

Der frühere australische Premierminister Kevin Rudd sagte auf dem Forum, dass Liu weitreichende Gespräche geführt habe. Die US-Seite hätte vorgeschlagen, Chinas 2017 mit den USA aufgelaufenes Rekordhandelsdefizit von 375 Milliarden US-Dollar in den beiden Haushaltsjahren 2018 bis 2020 um jeweils 100 Milliarden Dollar abzubauen. Washington könnte mit einem etwa 200 Milliarden Dollar hohen Defizit leben. Ohne Strafzölle.

Rudd zeigte sich nicht allzu optimistisch, dass solch ein Deal noch zustande kommt und einen Handelskrieg verhindert. Es gebe eine "unkontrollierbare Variable". Diese heiße Trump.

Der Präsident der US-Kammer in China, William Zarit, sagte: Die Mehrheit seiner Kammermitglieder stehe hinter Trump, wenn es um Vorwürfe gehe, in China unfair behandelt zu werden und kein gleiches Spielfeld vorzufinden, oder um den Diebstahl geistigen Eigentums und erzwungenen Technologietransfer. Doch niemand unterstütze ihn, wenn er dagegen mit Strafzöllen vorgehe. Sie nützten niemandem und schadeten nur allen. (Johnny Erling aus Peking, 26.3.2018)