Carles Puigdemont bei einem Besuch in der Schweiz Mitte März 2018.

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Neumünster/Madrid – Die Flucht des ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont vor der spanischen Polizei ist am Sonntag um 11.19 Uhr vorerst jäh zu Ende gegangen. Der nach seiner Absetzung durch Madrid Ende Oktober nach Brüssel geflohene 55-jährige Politiker ist kurz nach der Querung der dänisch-deutschen Grenzen unweit der Bundesautobahn A7 bei Schleswig festgenommen worden. Da Grenzkontrollen von Dänemark nach Deutschland unüblich sind, muss davon ausgegangen werden, dass die deutsche Polizei einen Tipp erhalten hatte – eine Version der Ereignisse, die am Sonntag auch mehrere spanische Medien verbreiteten.

Puigdemont wird von Spanien nach der Abhaltung eines Referendums über die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region Katalonien am 1. Oktober und einer einstigen Unabhängigkeitserklärung am 27. Oktober per europäischem Haftbefehl gesucht. Die spanische Justiz hat gegen weitere fünf katalanische Politiker internationale Haftbefehle erlassen. In Spanien selbst sitzen sieben Politiker und zwei separatistische Aktivisten wegen der gleichen Anklagepunkte in U-Haft. Dagegen fanden am Wochenende Demonstrationen in Katalonien statt, die mit der Festnahme Puigdemonts neuen Stoff erhielten.

Rätsel um verpassten Flug

Puigdemont befand sich auf einer Reise mit dem Vorhaben, "den katalanischen Konflikt zu internationalisieren". Nach einem Besuch in Genf war er in die finnische Hauptstadt Helsinki gereist, wo er am Freitag auf Einladung einer Gruppe von Parlamentariern einen Vortrag an der Universität hielt. Zum eigentlich geplanten Rückflug nach Belgien am Samstag erschien er nicht – wieso, war nicht unmittelbar klar.

Offenbar zog es Puigdemont wohl vor, bereits am Freitag im Pkw abzureisen, als es immer wahrscheinlicher wurde, dass Ermittlungsrichter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof in Madrid den europäischen Haftbefehl gegen ihn wieder in Kraft setzen würde, der vor einigen Wochen ruhend gestellt worden war. Das geschah dann tatsächlich nach Bekanntgabe der Ermittlungsergebnisse. Gegen 13 Politiker und Aktivisten, darunter Puigdemont, geht Llarena seither wieder wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor, gegen zehn weitere wegen Ungehorsams und teilweise auch wegen Veruntreuung. Auf Rebellion stehen bis zu 30 Jahre Haft; auf Veruntreuung bis zu acht; Ungehorsam kann mit Entzug der Bürgerrechte bestraft werden.

Llarena schickte noch am Freitagabend fünf katalanische Politiker in U-Haft. Darunter ist auch der ehemalige Präsidentialamtsminister Jordi Turull, der am Samstag vom katalanischen Par lament im zweiten Wahlgang zum neuen Regierungschef gewählt werden sollte. Parlamentspräsident Roger Torrent sagte daraufhin die Abstimmung ab. Er nannte Spanien einen "autoritären Staat" und verlangte von den politischen Kräften "eine Front zur Verteidigung der Demokratie".

Ungünstige Lage

Llarena hatte bereit im November von Brüssel die Auslieferung Puigdemonts und vier seiner Ex-Minister verlangt. Als sich abzeichnete, dass die Justiz Rebellion als Straftatbestand nicht anerkennen würde, zog Llarena den Haftbefehl erst einmal zurück.

Da es ohne Gewalt wohl kaum Rebellion geben kann, wirft Llarena den Angeklagten jetzt vor, versucht zu haben, den "gewalttätigen Fanatismus ihrer Anhänger zu entfesseln". Als Beleg dient das Referendum vom 1. Oktober: Dabei seien 60 Polizeibeamte verletzt worden. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigen anderes. Die Polizisten, die über 900 Verletzte hinterließen, stießen überwiegend auf gewaltfreien Widerstand.

Die Verhaftung in Deutschland bringt Puigdemont eine Menge Probleme. Mit europäischem Haftbefehl ist eine Auslieferung weitgehend Formsache und findet binnen zehn bis 60 Tagen statt. Dabei vertraut die örtliche Justiz meist auf die Anklagepunkte des Landes, das die Auslieferung beantragt. Nur Belgien behält sich vor, Einzelfälle zu prüfen. Der Fall Puigdemont liegt nun bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig, am Montag soll der Politiker einem Haftrichter vorgeführt werden. (Rainer Wandler aus Madrid, 25.3.2018)