Barcelona/Wien – Nach der Festnahme des aus Spanien geflüchteten ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont in Deutschland protestierten am Sonntag in Barcelona Zehntausende für seine Freilassung. Es kam zu Festnahmen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Unabhängigkeitsbefürworter blockierten in ganz Katalonien zahlreiche Landstraßen und Autobahnen.
Puigdemont war am Sonntag aufgrund eines Europäischen Haftbefehls bei der Einreise aus Dänemark in Schleswig-Holstein von der Polizei angehalten worden. Wie der schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote bestätigte, wurde der 55-Jährige am Sonntag in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. Gegen Puigdemont wird in Spanien wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt.
Entscheidung über Auslieferung
Über die Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen sei, entscheide das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, erklärte Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper. Spanien muss nach seinen Angaben nun Unterlagen vorlegen, aus denen sich ein Grund für eine Auslieferung ergibt. Das Oberlandesgericht prüfe dann, ob eine Übergabe Puigdemonts an die spanischen Behörden rechtlich zulässig sei. Sollten keine rechtlichen Hindernisse einer Auslieferung im Wege stehen, entscheide anschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig, sagte Döpper.
Die Demonstranten in Barcelona forderten am Sonntag neben der Enthaftung Puigdemonts auch die sofortige Freilassung der anderen "politischen Gefangenen". Bereits am Freitag hatten in ganz Katalonien Demonstrationen gegen die Verhaftung von 13 katalanischen Separatistenführern durch den Obersten Gerichtshof in Madrid stattgefunden. Unter den Verhafteten befinden sich unter anderen auch Präsidentschaftskandidat Jordi Turull, Kataloniens ehemaliger Außenminister Raül Romeva sowie Kataloniens ehemalige Parlamentspräsidentin Carme Forcadell. Die spanische Justiz klagt sie wegen ihrer Beteiligung am illegalen Unabhängigkeitsprozess der Rebellion an.
"Unrechtsstaat Spanien"
Vor dem Sitz der Europäischen Union in Barcelona übten die Unabhängigkeitsbefürworter auch scharfe Kritik an der EU, die den "spanischen Unrechtsstaat" durch ihr Schweigen unterstütze. "Dieses Europa ist eine Schande", schrien die Demonstranten. Die Bürgerbewegungen "Komitee zur Verteidigung der Republik" (CDR), Omnium Cultural sowie die ANC hatten zu den Massenprotesten aufgerufen. Es kam auch zu Protesten vor dem deutschen Konsulat in Barcelona.
Elsa Artadi, Sprecherin von Puigdemonts separatistischer Einheitsliste Junts per Catalunya (JxCAT), appellierte an die deutsche Justiz, Puigdemont wieder freizulassen und nicht an Spanien auszuliefern: "Wir sind eine friedliche und demokratische Bewegung. In Spanien ist (Puigdemont) kein fairer Prozess garantiert, nur Rache und Repression". Unterdessen beschwor Kataloniens separatistischer Parlamentspräsident Roger Torrent (ERC) am Sonntag erneut eine "Einheitsfront zur Verteidigung der Demokratie".
Bekannte Separatistenführer wie Mireia Boya von der linksradikalen CUP-Partei gingen einen Schritt weiter, riefen die Menschen zum zivilen Ungehorsam und Massenprotesten auf und sprachen von der Notwendigkeit eines "katalanischen Frühlings", um den "spanischen Unrechtsstaat" in die Knie zu zwingen.
Pro-spanische Politiker feiern Festnahme
Während pro-spanische Politiker wie Albert Rivera, Chef der Liberalen (Ciudadanos), die Verhaftung des "Putschisten Puigdemont" feierten, rief der linke Podemos-Führer Pablo Iglesias zur "Rückkehr zum Dialog" auf. "Verhaftungen, Knast und die Justiz können das politische Problem in Katalonien nicht lösen", so Iglesias.
Unterdessen hält die Spannung auf den Straßen an. Gegen 19 Uhr starteten in Barcelona und in anderen katalanischen Städten wie Tarragona, Girona oder Vic Massenkundgebungen vor den Vertretungen der spanischen Zentralregierung.
Spanien hatte am Samstag einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont ausgestellt, als dieser für eine Konferenz nach Finnland reiste. Die spanische Justiz sucht den katalanischen Separatistenführer wegen Rebellion für seine Beteiligung am illegalen Unabhängigkeitsprozess. (Manuel Meyer/APA, 25.3.2018)