Der Oberkellner Herbert Seidlberger war 42 lang im Kaffeehaus tätig. Nun geht er in Pension.

Foto: Jan Lackner

Wien – So eine Verabschiedung bekommt nicht jeder, der in Pension geht. Herr Herbert schon. In der Beletage des prestigeträchtigen Café Landtmann in Wien wartete am Montag auf den Oberkellner nicht nur ein Imitat seiner selbst in Form einer lebensgroßen Pappfigur, sondern auch Prominenz aus der Wiener Kaffeehausszene und darüber hinaus.

Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske, der Fachgruppen-Obmann der Wiener Kaffeehäuser, Wolfgang Binder, und die Chefs der Wiener Kaffeehausfamilie Querfeld waren gekommen, um Herbert Seidlberger in seinen Ruhestand zu verabschieden.

Das Café Landtmann wurde nicht zufällig ausgewählt: Dort begann für Herrn Herbert alles, bevor er in das von derselben Familie geführte Café Mozart wechselte.

Sozialpartnerschaftliche Ehrungen

42 Jahre lang war Seidlberger – sowohl unter Stammgästen als auch unter Kollegen als "Herr Herbert" bekannt – ununterbrochen Kellner in Kaffeehäusern der Familie Querfeld. Zuerst 16 Jahre im "Mutterschiff" der Familie, dem Café Landtmann am Ring, anschließend über ein Vierteljahrhundert im Café Mozart am Albertinaplatz in der Wiener City, wo er bis zuletzt arbeitete.

Bei den Sozialpartnern reicht das für eine Ehrung: Für "vierzig Jahre im Dienste der Volkswirtschaft" überreichte AK-Chef Kaske persönlich eine Urkunde. Wirtschaftskammer-Fachgruppenobmann Binder legte mit einer goldenen Mitarbeitermedaille nach: "Für den Dienst am Gast", den Seidlberger als "Botschafter für den Kellnerberuf" über Jahrzehnte hinweg ausgeübt habe.

Angefangen hatte alles, als der gelernte "Elektroreparateur" – heute würde man Elektrotechniker sagen – in seinen Jugendjahren merkte, dass das Erlernte doch nichts für ihn sei. Über eine Zeitungsannonce und mit Empfehlungen durch die richtigen Leute landete er bei dem – mittlerweile schon verstorbenen – Herbert Querfeld, der ihn als ersten hauseigenen Lehrling im Café Landtmann einstellte.

42 Jahre später erzählt Seniorchefin Anita Querfeld bei Seidlbergers Pensionsfeier, wie sie und ihr Mann bei der Übernahme und Neugründung des Café Mozart im Jahr 1992 Herrn Herbert eine Karriere ermöglichen wollten: "Als Häuptling mit Mitarbeitern im Service" sollte Herr Herbert im Café Mozart aufblühen. Der Plan ging auf, Herr Herbert wurde zur Institution in der Wiener Kaffeehausszene.

Lehrlingsausbildner Herr Herbert

Drei Urlaube hat Herr Herbert schon geplant: in Ungarn, Kroatien und in der Steiermark. An der Arbeit im Kaffeehaus werde er trotzdem "alles vermissen", sagt er zum STANDARD. "Jeder Tag im Kaffeehaus ist anders", sagt der Oberkellner. "Es ist wie ein Marathonlauf: In der Früh geht es langsam los, zu Mittag ist der volle Stress, am Abend bist fertig und weißt, warum."

Als Lehrling sei er anfangs "durchaus geschreckt" gewesen, das habe sich mit der Zeit aber gegeben. Im zweiten Lehrjahr war Herr Herbert schon als Zahlkellner unterwegs: "Das war eine große Auszeichnung." Später bildete er selber Lehrlinge aus, es gehörte zu seinen Lieblingsaufgaben.

Moritz Kappert war einer von ihnen. Obwohl er heute nicht mehr in einem Kaffeehaus der Familie Querfeld arbeitet, ist er zur Pensionsfeier von Herrn Herbert gekommen, bei dem er "gelernt hat, was es heißt, ein Kellner zu sein". Der Herbert habe ihm "die Gastro beigebracht", sagt Kappert. "Er war eine Vaterfigur für mich." Er glaubt, dass es viele Gäste gibt, die nur wegen Herrn Herbert ins Café Mozart kommen.

Wehmut und Vorfreude

"Den Herbert gibt es nur einmal", sagt Anita Querfeld auf die Frage, ob man den Ober ersetzen könne. Er habe mit seiner Art aber viele Mitarbeiter angesteckt. "In allen Betrieben haben wir ein paar so Häuptlinge", sagt Querfeld. "Die sind aber rar gesät." Es sei heute schwieriger als früher, qualifizierte Mitarbeiter zu halten. Das liege daran, dass die jungen Leute heutzutage eher den Betrieb wechseln, weil von ihnen erwartet werde, mehrere Erfahrungen zu machen.

Die Familie betreibt nicht nur das Café Landtmann und das Café Mozart, sondern etwa auch das Café Museum und das Café Residenz, und beschäftigt insgesamt 350 Mitarbeiter.

"Heute beginnt der Rest deines Lebens" stimmt die Band bei der Feier an, und Herr Herbert greift zum Taschentuch. Es war ein Leben für das Wiener Kaffeehaus, das Herr Herbert nun verlässt: "Ich wechsle von der einen Familie zur anderen", sagt der Oberkellner. Fünf Enkelkinder und ein Schrebergarten in Simmering warten. (Vanessa Gaigg, 26.3.2018)