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Corbyn unter Druck.

Foto: REUTERS/Phil Noble

London/Wien – Jeremy Corbyn, Chef der oppositionellen britischen Labour-Partei, sieht sich einmal mehr scharfem Gegenwind aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Während ihm nach der Absetzung seines Nordirland-Schattenministers Owen Smith am Freitag hochrangige Abgeordnete Verrat an dem Pro-EU-Kurs der Partei vorwarfen, erinnerte kurz darauf die Abgeordnete Luciana Berger an ein Facebook-Posting Corbyns, in dem er 2012 eine antisemitische Malerei an einer Londoner Hauswand verteidigte.

Das Machwerk "Freedom for Humanity" des US-Amerikaners Mear One an der Brick Lane bildete in klassisch antisemitischer Manier Banker ab, die auf dem Rücken von Armen Monopoly spielen. Als es entfernt werden sollte, stellte sich Corbyn auf die Seite des Straßenkünstlers, wie aus einem kürzlich aufgetauchten Facebook-Kommentar des heutigen Labour-Chefs hervorgeht.

Jüdische Gemeinden kritisieren Corbyn

Am Montag schließlich wandten sich auch Vertreter der jüdischen Gemeinde Großbritanniens gegen Corbyn. Der Oppositionsführer habe "immer wieder auf der Seite der Antisemiten und nicht der Juden gestanden", hieß es in einem am Montag veröffentlichten Brief der beiden wichtigsten jüdischen Vereinigungen im Vereinigten Königreich.

Wenn es um ein "schreckliches antisemitisches Wandbild" gehe, stelle sich Corbyn selbstredend auf die Seite des Künstlers, klagten die jüdischen Verbände. Gleichzeitig warfen sie ihm vor, radikalislamische Organisationen wie die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas zu hofieren.

2009 bezeichnete Corbyn die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah als "Freunde". Später bereute er seine Wortwahl.
Helen Chandler-Wilde

Corbyn gebe sich mit Menschen ab, "die offen antisemitische Ansichten" äußerten. "Genug ist genug", schrieben das Board of Deputies of British Jews und der Jewish Leadership Council in ihrer gemeinsamem Erklärung. Sie wollten am Montag vor dem britischen Parlament protestieren und dann den Brief der Labour-Fraktion übergeben.

"Instinktiv feindlich"

Corbyn sei in einer linksradikalen Weltsicht gefangen, die den moderaten jüdischen Gemeinden gegenüber "instinktiv feindlich" gesinnt sei, heißt es in dem Brief.

Corbyn, der seine Partei entgegen den Erwartungen bei der vorgezogenen Unterhauswahl 2017 zu einem Achtungserfolg geführt hat, räumte am Montag ein, dass antisemitische Tendenzen in Teilen der Labour-Partei aufgetreten seien. "Ich entschuldige mich aufrichtig für den Schmerz, der dadurch verursacht wurde", erklärte er. Er will nach eigenen Angaben in den kommenden Tagen das Gespräch mit Vertretern der jüdischen Gemeinde suchen, um deren Vertrauen in seine Partei zurückzugewinnen. (red, APA, 26.3.2018)