Wer in diesem Jahr zum ersten Mal die Baselworld (22. bis 27. März) besucht hätte, hätte den Eindruck gewinnen können, hier ist die Uhrenwelt noch in Ordnung. In der Halle 1.0, mit den teuersten Standflächen traditionell den zahlungskräftigen High-End-Marken wie Rolex, Omega, Patek Philippe, Breitling und Co vorbehalten, ging es zu wie in einem Bienenstock.

Doch schon im ersten Stock war davon kaum noch etwas zu spüren. Große Namen wie Hermès, Dior oder Fendi, vergangenes Jahr dort noch mit riesigen, immens teuren Ausstellungsflächen, wahren Palästen des Prunks, vertreten, hatten der Leitmesse den Rücken gekehrt. Und nicht nur sie.

1. Die Baselworld steckt in der Krise

Die Messe hat sich im Vergleich zu 2017 quasi halbiert. Rund 600 Aussteller blieben Basel heuer fern. Für die Messebetreiberin MCH Group bedeutet das einen Einnahmenrückgang von 40 Mio. Franken (rd. 34 Mio. Euro). Kein Wunder, dass sie in Erklärungsnotstand geriet. Der Vorwurf: Man habe das zunehmende Unbehagen bei den Ausstellern, die nicht nur neue, teure Messebauten berappen, sondern auch massiv höhere Standkosten hinnehmen mussten, ignoriert.

"Autobahn" heißt der neueste Wurf von Nomos Glashütte. Werner Aisslinger war für das Design zuständig.
Foto: Nomos Glashütte

Als dann die Krise kam, zeigte sich die Messeleitung völlig unflexibel. Statt den Ausstellern entgegenzukommen, wurde auf den Messekosten, die in die Millionen gehen, beharrt. Diese Arroganz der Verantwortlichen, die ihre Cashcow (sie generiert laut Cash bis zu zwei Drittel des Umsatzes) so lange melken wollten, wie es ging, räche sich nun, heißt es vielfach.

Seiko präsentierte neue Modelle aus der Prospex-Kollektion.
Foto: Seiko

Maßnahmen, wie eine Verkürzung der Messedauer um zwei Tage und Rabattgutscheine (durchschnittlich sollen die Standgebühren um zehn Prozent gesunken sein), werden jedenfalls nicht genügen, um die Baselworld wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Die Messeleitung glaubt – no na – unverbrüchlich an die Baselworld als Branchen-Treffpunkt und Trend-Hotspot. Einer Diskussion über deren zukünftige Ausrichtung weicht sie aber aus. Aber auch die Basler Hotellerie und Gastronomie hat mit unverschämten Preisen zum Unmut beigetragen.

2. Die Uhren werden bunter, Retro dominiert

Zahlte es sich überhaupt noch aus, die Messe zu besuchen? Auf jeden Fall. Denn Uhrenenthusiasten finden wohl kaum einen zweiten Ort auf der Welt, wo es so viele Neuheiten pro Quadratmeter zu sehen gibt. Wobei einem so manche "Neuheiten" doch irgendwie bekannt vorkommen.

Zum 100-jährigen Jubiläum eines der architektonischen Meisterwerke von Philipp Jakob Manz stellte Junghans die limitierte Meister Chronoscope Terrassenbau vor.
Foto: Junghans

Denn wie schon in den letzten Jahren zu bemerken, sind es vor allem die sachlichen Retro-Modelle, die es in die Vitrinen geschafft haben. Gemeinsam mit einem blauen oder – heuer im Trend – grünen Zifferblatt (zu finden bei Chopard, Glashütte Original oder Certina) kommen diese Heritage-Zeitmesser, vielfach in der angenehmen Größe von 40 Millimetern oder leicht darunter, wieder in den Verkauf.

Lässt Rolex-Fans austicken: Die neue GMT-Master II in Edelstahl mit "Pepsi"-Lünette.
Foto: Rolex

Zum Beispiel reicht Rolex eine Ikone aus dem Jahr 1945 dar: Die ob ihrer auffälligen, rot-blauen Lünette "Pepsi" getaufte und kultisch verehrte GMT-Master II kommt erstmals in Stahl und dem neuen Automatikkaliber 3285, auf das zehn Patente angemeldet sind. Das erzeugte einen ordentlich "Buzz" auf allen möglichen Kanälen.

3. Es gibt noch immer etwas zu entdecken

Das gelang auch Bulgari. Die Römer präsentierten mit der Octo Finissimo Tourbillon Automatic die flachste automatische Uhr der Welt mit Tourbillon. Das ist – mal wieder – ein Weltrekord. Als solchen könnte man auch die Big Bang Unico Red Magic von Hublot bezeichnen.

Die flachste Uhr der Welt mit Automatikaufzug und Tourbillon kommt von Bulgari.
Foto: Bulgari

Denn den Alchemisten der Marke ist es gelungen, leuchtend rotes Keramik herzustellen, ein Material, das es so bis jetzt nicht gab. Galt dessen Erzeugung bisher doch als besonders schwierig bis unmöglich. Selbst Keramikspezialist Rado hat sich daran die Zähne ausgebissen. Vier Jahre dauerte es schließlich auch, bis man in Nyon, dem Firmensitz der Marke, die richtige Formel gefunden hatte.

4. Die Talsohle ist durchschritten

Ein Schimmer lässt sich auch am konjukturellen Horizont ausmachen. Denn 2017 hatte, nach zwei Jahren mit starken Einbußen für die Schweizer Uhrenindustrie, eine Wende bedeutet. Die Exporte nahmen um 2,7 Prozent auf fast 20 Mrd. Franken (rd. 17 Mrd. Euro) zu. Im Februar haben die Ausfuhren im Vorjahresvergleich um 12,9 Prozent zugelegt.

Big Bang Unico Red Magic von Hublot: Dem Hersteller ist es erstmals gelungen leuchtend rotes Keramik herzustellen.
Foto: Hublot

Im Trend liegt das mittlere Preissegment, mit einem Exportpreis von 500 bis 3000 Franken (rd. 400 bis 2500 Euro). Besonders Hongkong und das chinesische Festland – beides Zielmärkte der Schweizer Uhrenhersteller – kommen wieder. In Hongkong lag das Plus in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres bei 28 Prozent, auf dem chinesischen Festland bei 22 Prozent. Das gibt Hoffnung. (Markus Böhm, 28.3.2018)


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