Martin Luther King während seiner Rede "I Have a Dream" beim Lincoln Memorial in Washington.

Michelle Browder führt im knallbunten Bus durch die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung.

Foto: Sascha Rettig

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Das Lorraine Motel, vor dem Martin Luther King erschossen wurde, ist heute ein Museum.

Foto: Getty Images/Raymond Boyd

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Der Bus in dem Rosa Parks sich weigerte für einen Weißen aufzustehen, steht heute im Henry Ford Museum in Dearborn, Michigan.

Foto: AP/Paul Sancya

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Bis heute prangt der Name des ehemaligen Senators Edmund Pettus – er war ein hochrangiges Ku-Klux-Klan-Mitglied – auf dem vordersten Bogen jener Brücke in deren Nähe Protestierende niedergeknüppelt wurden.

Foto: AP/Albert Cesare

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Das Grab von Martin Luther King in Atlanta

Foto: AP/Branden Camp

Shirley Cherry sitzt in der Küche, wo Martin Luther King saß, als am 27. Jänner 1956 gegen Mitternacht das Telefon in seinem Wohnhaus in der Jackson Street in Montgomery, Alabama, klingelte. Am anderen Ende der Leitung ein anonymer Anrufer, der dem Pfarrer der Baptistengemeinde wegen seines Engagements für die Bürgerrechtsbewegung drohte: mit einem Bombenanschlag auf sein Haus.

Der nicht einmal 30-jährige King wollte am liebsten sofort die Stadt verlassen. "Er sagte Gott, er habe Angst, und dann sprach Gott zu ihm: 'Du bist nicht allein'", erzählt die 72-jährige pensionierte Lehrerin am Ende des Rundgangs durch Kings damaliges Haus, das mit viel Originalmobiliar zum Museum umgewandelt wurde, und ergänzt: "Das war der Augenblick, als er seine Angst verlor."

Zwischen Anschlag und Attentat

King war nicht zu Hause, und seine Familie blieb unverletzt, als wenige Tage nach dem Drohanruf tatsächlich ein Bombenanschlag auf sein Wohnhaus verübt wurde. Zwölf Jahre später, am 4. April 1968, ermordete James Earl Ray den Bürgerrechtler auf dem Balkon des Lorraine Motel in Memphis. In den wenigen Jahren zwischen Anschlag und Attentat war er zur zentralen Figur des Civil Rights Movement und auch für Cherrys Leben wichtig geworden: "Niemand kann auf deinem Rücken reiten, wenn er nicht gebeugt ist", zitiert sie King und hat es sich zu Herzen genommen.

Sie schlug eine Laufbahn als Lehrerin ein, ihre Mutter finanzierte das College durch die Arbeit in einer Putzerei. "Dort musste sie auch Hemden von Mitgliedern des Ku-Klux-Klan annehmen. Ich sage immer: Der Klan hat unfreiwillig dazu beigetragen, dass ich studieren konnte."

Mahnmale

Wer 50 Jahre nach der Ermordung von Martin Luther King auf seinen Spuren durch die Südstaaten reist, stößt noch überall auf Mahnmale, Museen und Monumente. Die scheinen nie überflüssig geworden zu sein. So wurde in Atlanta, der Hauptstadt Georgias, erst vor vier Jahren das National Center for Civil and Human Rights eröffnet.

In der Ausstellung wird deutlich, dass die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung voller kleiner Etappensiege und Rückschläge war. So galten etwa bis zum Jahr 1964 teilweise noch immer die Jim-Crow-Gesetze. Diese Gesetze, die Afroamerikaner von Weißen trennen sollten, betrafen alle Bereiche des Lebens. Es war geregelt, wo Schwarze wohnen, arbeiten und in die Schule gehen mussten, wo sie in Restaurants, Kinos, Parks und im Bus zu sitzen hatten.

Emotionale Zeitreise

Erst nachdem sich die Afroamerikanerin Rosa Parks in Montgomery (Alabama) geweigert hatte, einen für Weiße reservierten Sitzplatz aufzugeben, folgte das Ende der Segregation in öffentlichen Bussen. Im Jahr 1967 legalisierte der Oberste Gerichtshof schließlich durch das Urteil im Fall "Loving versus Virginia" die bis dahin in diesem Bundesstaat verbotenen gemischten Ehen. Die Ereignisse wurden zuletzt auch im Kinofilm "Loving" verarbeitet.

Das Museum in Atlanta ist für viele Besucher wie eine emotionale Zeitreise: Kleine Mädchen reiben sich ungläubig die Augen, wenn sie das Foto von Ruby Bridges sehen, der ersten Afroamerikanerin in einer weißen Schule, die vor dem Gebäude von US-Marshalls geschützt werden muss. Und erwachsene Männer haben Tränen in den Augen, wenn in einem Saal Martin Luther Kings Marsch auf Washington auf Großleinwand projiziert wird und er dabei die bekannten Worte ausruft: "I have a dream."

Freedom Walks

Ende 2017 wurden in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten die wichtigen Brennpunkte der Bewegung zum Civil Rights Trail zusammengefasst. Entlang der frei kombinierbaren Routen liegen Kirchen, Gerichte, Schulen und Skulpturen der Widerständler. Auch die Strecke der Freedom Walks, dreier großer Protestmärsche am Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung, ist nunmehr als National Historic Trail markiert. So decken sich rund 80 Kilometer des Highway 80 in Alabama mit einem der historischen Märsche. Wo King im Jahr 1965 mit Demonstranten marschierte, um volles Wahlrecht einzufordern, brausen jetzt Autokolonnen dahin.

Seinen Anfang nimmt der Historic Trail in der beschaulichen Kleinstadt Selma, wo ein kleines Museum die damaligen Ereignisse zusammenfasst: In Sichtweite der Edmund-Pettus-Brücke wurden die Protestierenden von Polizisten niedergeknüppelt – der Tag ging als "Bloody Sunday" in die Geschichte ein. Bis heute prangt der Name des ehemaligen Senators auf dem vordersten Brückenbogen – Edmund Pettus war ein hochrangiges Ku-Klux-Klan-Mitglied.

Gemeinsamer Salon

Kings letzter Freedom Walk endete mit 25.000 Demonstranten vor dem State Capitol Building in Montgomery. Der Marsch führte 1965 zum uneingeschränkten Wahlrecht für Afroamerikaner. Heute lädt Michelle Browder zu Touren in einem bunten Bus durch die Stadt. Ihre Kunden bringt sie zu der Stelle, an der Rosa Parks in den Bus stieg. Bei einer anderen Tour erfährt man von einem Projekt, bei dem Erde an Orten aufgesammelt wird, an denen Afroamerikaner der Lynchjustiz zum Opfer fielen. Um an die Taten zu erinnern, wird diese Erde in Glasbehältern mit den Namen der Opfer ausgestellt – sie füllen eine hohe Wand.

Es geht Browder auch um die Gegenwart. Deshalb führt sie zu Orten wie dem Chop Shop, einem Friseursalon, der von einem Farbigen und einem Weißen gemeinsam betrieben wird. "Das Feedback ist gut, und trotzdem fühlen sich manche noch immer unwohl, dass Leute mit anderer Hautfarbe da sind", erzählen die beiden. Man möchte meinen, 50 Jahre nach der Bürgerrechtsbewegung ist ein solches Geschäft nichts Besonderes – ist es aber in manchen Gegenden doch.

Civil Rights Act

Dass das Misstrauen noch nicht überwunden ist, zeigt auch die 16th Street Baptist Church in Birmingham, rund 150 Kilometer weiter nördlich. Am Sonntag sind dort ausschließlich Afroamerikaner beim überaus lebendigen Gottesdienst mit Band und Chor anzutreffen. Der Pastor gerät zwischen den Gospelsongs über Trump in Rage und predigt gegen anhaltende Ungerechtigkeiten. Vor 55 Jahren, im September 1963, explodierte in dieser Kirche eine Bombe des Ku-Klux-Klan.

Vier Mädchen kamen damals ums Leben, 22 Menschen wurden verletzt. Obwohl das FBI die Täter ausfindig machte, mussten sich die Männer lange nicht für den Anschlag verantworten. Aber die Tat beschleunigte letztlich die Verabschiedung des Civil Rights Act, des Antidiskriminierungsgesetzes aus dem Jahr 1964.

Weiteres Denkmal

"Der Geburtsfehler dieses Landes ist, von der Überlegenheit einer Hautfarbe auszugehen. Das hängt nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen – es zu überwinden wird noch weitere Generationen dauern", sagt der Historiker Barry McNealy vom Civil Rights Institute in Birmingham vor der 16th Street Church. Neben ihm stehen Skulpturen der Mädchen, die bei dem Attentat getötet wurden, und ein weiteres Denkmal für Martin Luther King.

Kings Statue überblickt den Kelly Ingram Park, wo die Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960er-Jahren aktiv war. Benannt ist der Park nach einem weißen Marinesoldaten, der im Ersten Weltkrieg fiel. (Sascha Rettig, RONDO, 30.3.2018)