Es ist ein kindisches Theaterstück, das zurzeit auf dem Balkan aufgeführt wird. Und es hat den Zweck, die Bürger zu manipulieren und eigene Interessen zu verschleiern oder sie zumindest nicht klar auszusprechen. Nachdem der serbische Direktor für das Regierungsbüro für Kosovo und Metochien, Marko Đurić, im Kosovo kurzfristig festgenommen worden war, konnte er sich in Belgrad als gedemütigt und verfolgt darstellen.

Opfergeschichten sind die wichtigsten Werkzeuge für Nationalisten. Die innenpolitische Mobilisierung war perfekt. Wenn die serbische Regierung an positiven Fortschritten im Dialog mit dem Kosovo interessiert wäre, hätte man die Eskalation sicherlich verhindert. Aber so ist es offenbar nicht. Mit der nationalen Mobilisierung steigen zudem die Zustimmungsraten für den Chefs aller Chefs in Serbien, Staatspräsident Aleksandar Vučić.

Karten neu mischen

Und genau darum geht es Vučić offenbar in Wahrheit. Vor dem geplanten bilateralen historischen Abkommen zwischen den Nachbarstaaten will er die Karten neu mischen. Das Ziel lautet offensichtlich, für die eigenen geplanten Schritte eine Begründung zu finden, selbst wenn man diese "selbst erzeugen" muss. Gleichzeitig kann man auch ein Signal an Prishtina schicken: Wir ignorieren eure staatlichen Behörden!

Der Vorfall passierte zudem just an jenem Tag, an dem von kosovarischer Seite endlich der Aufbau eines serbischen Gemeindeverbands begonnen werden sollte. Damit ist nun wohl Schluss. Serbien will die Sache selbst in die Hand nehmen. Der serbische Gemeindeverband wird von serbischer Seite ohnehin anders interpretiert als von kosovarischer Seite. Letztere will nicht, dass er exekutiv tätig werden kann. Nun könnte es sein, dass wieder Parallelinstitutionen im Kosovo entstehen – in den vergangenen Jahren wurden serbische Parallelinstitutionen mühsam mit EU-Hilfe in den kosovarischen Staat integriert.

Territoriale Frage

Doch der serbische Gemeindeverband ist auch nur ein Aspekt einer größeren Frage. Im Hintergrund geht es schon seit geraumer Zeit – angesichts des geplanten historischen Abkommens mit dem Kosovo – um Territorium. Der serbische Außenminister Ivica Dačić sprach sich des Öfteren für eine Teilung des Kosovo ab – also für eine Abspaltung des Nordkosovo. Aus serbischer Lesart würde das bedeuten, dass der Nordkosovo bei Serbien bleibt und dem Rest des Kosovo die eigene Staatlichkeit zugebilligt würde.

Die EU-Kommission (und Deutschland) lehnen diese Variante ab, weil eine Grenzänderung auf dem Balkan die gesamte Sicherheitsarchitektur gefährden würde. Doch von serbischer Seite wird offenbar versucht, diese Variante als "kleineres Übel" ins Spiel zu bringen. Um dies zu erreichen, macht es spieltheoretisch durchaus "Sinn", wenn man die gesamte Situation eskalieren lässt und destabilisiert.

Zwecklos, über Dialog zu reden

Đurić brachte jedenfalls nach dem Zwischenfall am Montag die territoriale Frage ins Spiel. Er sagte, die Aktionen der kosovarischen Polizei würden einen Versuch darstellen, vom von Serben bewohnten Norden des Kosovo "Besitz zu ergreifen". Man kann seine Aussage auch so interpretieren, dass es bei der Aktion darum ging zu signalisieren, dass der Nordkosovo in Zukunft bei Serbien bleiben soll. Genauso, wie es Dačić will.

Eine weitere Konsequenz des balkanischen Verhaftungsdramas ist, dass es nun viel schwieriger sein wird, den von der EU geführten Dialog zwischen den beiden Staaten fortzuführen. Vučić meinte, es sei zwecklos, über den Dialog in Brüssel zu reden. Die offensichtlich neue politische Ausrichtung Serbiens bei dem Thema ist sowohl für die Serben im Kosovo schlecht als auch für die EU-Perspektive Serbiens als auch für die Stabilität in der Region. (Adelheid Wölfl, 27.3.2018)