Unser Gehirn hat mit der Blut-Hirn-Schranke eine sehr effektive Barriere gegen Krankheitserreger. Trotzdem kann diese von einigen Viren überwunden werden; die Erreger dringen bis in das Gehirn vor und lösen dort Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns aus. Wissenschaftler des Twincorekonnten zeigen, dass Infektionen mit dem Varizelle zoster Virus von charakteristischen Stoffwechselprodukten im Hirnwasser begleitet werden.

Das Problem bei Infektionen des Gehirns: Die Symptome, die die unterschiedlichen Erreger im Gehirn oder der Hirnrinde auslösen sind sehr ähnlich – so ähnlich, dass Ärzte nicht ohne weiteres unterscheiden können, welcher Erreger für die Infektion verantwortlich ist. Die entscheidende Frage: Handelt es sich um Enteroviren, so genannte Sommerviren, die starke Kopfschmerzen und hohes Fieber auslösen, aber wieder abklingen, ohne langfristige Schäden am Gehirn zu verursachen oder um Viren wie etwa Varizella zoster, die starke Zellschäden hervorrufen und zum Tod führen können. Die dritte Option: Liegt eine bakterielle Infektion vor, die mit Antibiotika behandelt werden kann.

Eine Frage der Zeit

"Die diagnostischen Methoden, mit denen die Medizin zwischen den unterschiedlichen Auslösern einer Meningoenzephalitis differenzieren kann, sind derzeit entweder unzuverlässig oder sehr langwierig", sagt Frank Pessler, Leiter der Arbeitsgruppe Biomarker für Infektionskrankheiten am Twincore. "Die Therapien sind jedoch grundsätzlich verschieden und es muss schnell gehandelt werden. Das hat häufig eine Überbehandlung zur Folge, weil die Ärzte nicht wissen können, wie die Krankheit verlaufen wird und lieber auf ‚Nummer Sicher‘ gehen."

Im Fokus der Forscher liegt das Varizella zoster Virus, umgangssprachlich als Schafblattern oder Windpocken bekannt. Das Virus zieht sich nach einer überstandenen Erkrankung in die neuronalen Ganglien zurück, bricht bei etwa einem Viertel der Infizierten später erneut aus und verteilt sich dann entlang des Nervensystems. Das Risiko, dass die Viren reaktiviert werden, steigt mit dem Alter oder wenn das Immunsystem geschwächt ist.

Erreger definieren

"Die Windpocken kommen also im Alter als Gürtelrose wieder oder befallen die Ganglien, die ins Gehirn führen", sagt Kurt-Wolfram Sühs, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Als man die Hirnflüssigkeit der Gürtelrose-Patienten untersuchte, konnte man dort Stoffwechselprodukte finden. "Wir haben gesehen, dass bereits bei einer Gürtelrose das Nervenwasser charakteristisch verändert ist und es verändert sich mit steigendem Schweregrad der Infektion weiter", sagt Sühs.

Bei einer Infektion mit Enteroviren – den vergleichsweise harmlosen Sommerviren – ist keine solche Veränderung zu beobachten. "Damit haben wir spezifische Biomarker für den Nachweis einer Meningoenzephalitis", sagt Pessler. "Nun müssen wir, um ein echtes diagnostisches Werkzeug zu erhalten, das Biomarkerspektrum mit dem von anderen Viren und Bakterien vergleichen." Man will die Biomarker quantifizieren, um von der Konzentration der Biomarker in der Gehirnflüssigkeit auf die Schwere der Schäden in den Nerven zu können. (red, xx.4.2018)