Nairobi – Auf eine ungemütliche Nachbarschaft zweier Spezies, die um die Spitze der Nahrungspyramide konkurrierten, lässt ein Fossilienfund aus Kenia schließen. Dabei handelt es sich um den Teil eines Löwenschädels, der in der Natodomeri-Region im Norden Kenias gefunden und nun im "Journal of Paleontology" präsentiert wurde. Mit einer Länge von 38 Zentimetern ist das Fragment um fast ein Viertel größer als die entsprechenden Skelettteile der größten heute lebenden Löwen.

Globalisierung auf Löwenart

Das Fossil ist 200.000 Jahre alt und stammt damit aus der Zeit, in der sich der noch junge Homo sapiens in Ostafrika ausbreitete. Der Löwe war ihm da schon einige hunderttausend Jahre voraus gewesen – auch was die globale Ausbreitung anbelangt. Von Afrika ausgehend, hatten die Ahnen des heutigen Löwen (Panthera leo) auch weite Teile Eurasiens und Nordamerikas kolonisiert. Vorübergehend war der Löwe damit das Großsäugetier mit dem weltweit größten Verbreitungsgebiet.

Im Verlauf dieser Ausbreitung brachte der Löwe einige besonders stattliche Unterarten hervor, etwa den europäischen Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) und den noch imposanteren Amerikanischen Löwen (Panthera leo atrox). Diese Unterarten folgten einem für Säugetiere typischen Muster, betonen die Forscher um Fredrick Manthi von Kenias Nationalmuseum: Nach Norden hin, in kälteren Regionen, werden die Tiere tendenziell größer.

Riese an unerwartetem Ort

Der in Äquatornähe lebende Riesenlöwe aus Kenia passt da überhaupt nicht ins Schema. Er kam annähernd dem Amerikanischen Löwen gleich und war deutlich größer als alle Löwen, die man je in Afrika gefunden hat. Das gibt Rätsel auf, was die einstige Ausbreitung der ursprünglichen Spezies anbelangt: Dass sie erst – noch in Afrika – geschrumpft und dann auf neuen Kontinenten wieder gewachsen ist, klingt eher unwahrscheinlich.

Die Forscher vermuten, dass es sich um eine eigene Unterart handelte, die nur in dieser speziellen Region vorkam. Diese könnte durch nur dort vorzufindende Umstände Riesenwuchs begünstigt haben – etwa durch ein besonders reichhaltiges Nahrungsangebot aus nicht minder imposanten Beutetieren. Ob auch der frühe Homo sapiens ins Beuteschema des Riesenlöwen passte oder vielleicht das umgekehrte Verhältnis bestand, bleibt offen. (red, 2. 4. 2018)