Luftaufnahme der Überreste einer präkolumbischen Anlage mit 140 Metern Durchmesser. Die Besiedlung des südlichen Amazonasbeckens dürfte einst dichter gewesen sein als gedacht.

Foto: José Iriarte

Exeter/Wien – Die lange vorherrschende Meinung, das südliche Amazonasbecken sei vor Ankunft der Europäer in Amerika im 15. Jahrhundert nur recht spärlich besiedelt gewesen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Forscher entdeckten immer mehr Hinweise auf lokale Siedlungen und Bodenbewirtschaftung, die in präkolumbische Zeiten zurückreichen. Doch in welchem Ausmaß die Regionen abseits der großen Wasserläufe einst bewohnt waren, ist unklar.

Archäologen um Jonas Gregorio de Souza von der Universität Exeter haben nun auf Satellitenaufnahmen die Überreste von gleich 81 bislang unbekannten Siedlungsanlangen mit mehr als hundert Erdbauten am südlichen Rand des Amazonasbeckens in Brasilien entdeckt. 24 Fundorte besuchten sie schließlich und stießen vor Ort auf Keramikreste, Müllgruben, Werkzeuge und Spuren von Landwirtschaft.

Erstaunliche Siedlungsdichte

Die Funde stammen aus einer Zeit zwischen 1250 und 1500 und zeugen von einer beachtlichen menschlichen Aktivität: Sie reichen von kleinen Ansiedlungen mit 30 Metern Durchmesser bis zu großen, sechseckig angelegten Strukturen mit Straßen und zentralen Plätzen. "Die Populationen entlang kleinerer Nebenflüsse müssen viel größer gewesen sein als angenommen", sagte de Souza, der davon ausgeht, dass dort noch weitaus mehr archäologische Stätten existieren. Große Teile des Amazonasbeckens sind noch unerforscht, insbesondere die Regionen abseits der Hauptflüsse.

Wie viele Menschen könnten hier also einst gelebt haben? Für ihre Studie im Fachblatt "Nature Communications" stellten die Forscher auf Grundlage der Verteilung und Größe der bisherigen Funde Hochrechnungen an.

Rasantes Ende

Darin kommen sie zum Schluss, dass allein am südlichen Rand des Amazonasbeckens in später präkolumbischer Zeit eine Fläche von mehr als 400.000 Quadratkilometern besiedelt gewesen sein könnte – von einer halben bis zu einer Million Menschen. Dabei macht das berücksichtigte Areal gerade einmal sieben Prozent des gesamten Beckens aus.

Die Ankunft der Europäer dürfte einen schnellen Kollaps zur Folge gehabt haben, so de Souza. "Wir wissen, dass sich Krankheitserreger schneller ausbreiten als Menschen – wahrscheinlich wurden diese Populationen bereits von eingeschleppten Krankheiten geschwächt, noch ehe die Europäer die Region erreichten." (David Rennert, 28.3.2018)