Der Falcon-9-Start am 24. August 2017 hatte vorübergehende Folgen für die Ionosphäre.
Foto: SpaceX

Taipeh – Nach anfänglichen Kinderkrankheiten sind die Missionen von SpaceX-Raketen mittlerweile schon eine Routineangelegenheit, wenn man vom Jungfernflug der Falcon Heavy am 6. Februar absieht, bei dem Elon Musk als PR-Gag einen Tesla Roadster auf die Reise durchs Sonnensystem schickte. Im vergangenen Sommer allerdings legte eine Falcon 9 einen Start mit ungewöhnlichen Folgen hin, wie nun bekannt geworden ist: Die Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens verursachte eine Schockwelle, die in der Atmosphäre die vierfache Ausdehnung des US-Bundesstaates Kalifornien erreichte.

Die Falcon 9 hob am 24. August 2017 um 11:50 Uhr Ortszeit von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien ab. Es war der 40. SpaceX-Start und wie schon in den meisten Fällen zuvor kehrten die Booster problemlos wieder zur Erde zurück. An Bord befand sich der Satellit Formosat-5, ein 475 Kilogramm schweres Erdbeobachtungsinstrument der taiwanesischen Weltraumorganisation NSPO. Da die Rakete ansonsten keine weitere Nutzlast mit sich führte und damit untypisch leicht war, konnte sie annähernd vertikal zur Erdoberfläche ins All fliegen.

Der Start verursachte eine Schockwelle von der vierfachen Größe von Kalifornien.
Illustr.: Charles Lin/Space Weather/AGU

Fast senkrechter Start

Normalerweise und insbesondere bei höherem Startgewicht gehen Raketen nach dem Lift-off in eine mehr oder weniger stark geneigte Flugbahn über. Sobald sie die Schallbarriere durchstoßen, produzieren sie dabei eine V-förmige Schockwelle. Da die Falcon 9 im August jedoch fast senkrecht gen Himmel raste, war ihre Schockwelle annähernd kreisförmig. Welche Effekte dies nach sich zog, beschrieben nun Charles Lin und seine Kollegen von der National Cheng Kung University in Taiwan im Fachjournal "Space Weather".

"Wir haben schon zahlreiche Beispiele für von Raketen hervorgerufene atmosphärische Turbulenzen gesehen, aber etwas so Großes und derart perfekt Kreisförmiges war bisher noch nie darunter", berichtet Lin. Die Falcon-9-Mission war im Vergleich zu anderen Starts vor allem deshalb ungewöhnlich, weil Formosat-5 alleine reiste, was ursprünglich so nicht vorgesehen war. Doch die Explosion einer SpaceX-Rakete im September 2016 hatte gleichsam Umbuchungen notwendig gemacht, was dem Satelliten schließlich einen Einzelplatz bescherte.

Die Grafik zeigt den Falcon-9-Start im Vergleich zu einem herkömmlichen Raketenstart.
Illustr.: Charles Lin/Space Weather/AGU

Loch in der Ionosphäre

Der Plan sah vor, Formosat-5 praktisch in direkter Linie über dem Startplatz in einer Höhe von 720 Kilometern auszusetzen. Dies gelang auch ohne Probleme, doch wie die aktuelle Untersuchung zeigte, hatte dieser Flug einen geradezu einschlagenden Effekt auf die Ionosphäre, die zwischen 80 und 1.000 Kilometer über der Erde liegt: Die enorme Schockwelle in Kombination mit Wassertröpfchen aus Abgasen der Raketentriebwerke, die mit geladenen Teilchen reagierten, schlug ein regelrechtes Loch in diesen Teil der Gashülle unseres Planeten.

Die in der Höhe ohnehin äußerst dünne Atmosphäre schloss ihre Lücke innerhalb von zwei Stunden wieder, doch laut Lin und seinem Team dürfte das Phänomen in dieser Zeit dazu geführt haben, dass GPS-Daten in der Region darunter vorübergehend geringfügig fehlerhaft waren. "Das Verständnis darüber, wie Raketenstarts unsere obere Atmosphäre und den Weltraum unmittelbar darüber beeinflussen, ist äußerst wichtig", erklärt Lin. "Wir nehmen an, dass menschengemachte Weltraumwetter-Ereignisse nicht zuletzt dadurch in großem Ausmaß zunehmen werden." (tberg, 30.3.2018)