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Zusammen abenteuern, auf dem eigenen Schiff die Weltmeere bereisen, epische Gefechte zu Land und auf hoher See, Mythen, Schätze und – so wie es sich für anständige Seeräuber gehört – reichlich Grog.

Monatelang hat das im beschaulichen 800-Seelen-Dorf Twycross in Mittelengland ansässige Entwicklerstudio Rare den Freunden von Piratenszenarios mit "Sea of Thieves" den Mund wässrig gemacht. Nun hat das Spiel auf der Xbox One und Windows-PCs offiziell Kurs auf den Massenmarkt gesetzt. Der GameStandard hat die Augenklappe ausgepackt, den Säbel geschliffen und die Segel auf die virtuelle Karibik gesetzt.

Georg und Daniel sprechen über "Sea of Thieves".
WIRSPIELEN

Ein Meer, zum Verlieben schön

Grafisch hat man sich für einen comichaften Stil entschieden, der den "spaßigen" Zugang zum Seeräuberzeitalter betont. Dennoch begeistert die recht realistische Wasserdarstellung selbst physikalisch gut umgesetzten Wellengangs. Das salzige Nass reflektiert und bricht das Licht und türmt sich auf offenem Meer bei einem Sturm schon einmal zu imposanten Wellen auf, die das Schiff zu einer regelrechten Berg- und Talfahrt zwingen und die Steuerung massiv erschweren. Dazu gibt es atmosphärische Wolken- und Lichteffekte am Himmel und den vermutlich schönsten Tag- und Nachtwechsel der jüngeren Spielegeschichte.

Akustisch werden die Ohren von feinen Soundeffekten, sanftem Meeresrauschen oder krachendem Unwettergetöse verwöhnt. In der Taverne erschallt "zeitgenössische" Musik (oder was man heute eben dafür hält). Man kann auch gemeinsam musizieren – das Game synchronisiert dann die Spuren des jeweiligen Instruments, sodass dabei ein heiteres oder melancholisches Lied herauskommt. Man fühlt sich ein wenig in die Welt von "Monkey Island" versetzt.

Arbeitsteilung ist Trumpf

Zu Beginn steht man vor der Entscheidung, ob man allein oder zu mehreren in See stechen möchte. Abenteuert man solo oder im Duo, so erhält man dafür eine Schaluppe als schwimmfähigen Untersatz. Diese ist klein, schnell und wendig, allerdings nicht gut gepanzert und auch nur mit zwei Kanonen bestückt. Größere Teams mit bis zu vier Piraten sind auf Galeonen unterwegs. Hier kompensieren bessere Panzerung und sechs Kanonen die Behäbigkeit und die Tatsache, dass die Steuerung des Bootes mit zwei Segeln deutlich fordernder ist.

Der Aspekt der Arbeitsteilung ist dabei nicht zu unterschätzen. Dem Steuermann muss der Kurs durchgegeben werden, denn meist wird seine Sicht vom Segel verdeckt. Der Anker hebt sich gemeinsam viel schneller, und will man die Segel effizient zum Wind ausrichten, passiert das auch nicht von selbst.

Was inmitten eines Sturms bereits fordernd sein kann, wird bei Seeschlachten mit anderen Spielern zu einer echten Herausforderung. Denn dann muss nicht nur das Schiff gelenkt werden, es wollen auch die Kanonen beladen und geschossen, Löcher vernagelt, Wasser per Kübel von Bord gekippt und Feinde mit Gewehr, Pistole und Säbel bekämpft werden. Es ist leicht, sich zu Beginn in das Spiel zu verschauen. Doch die Liebe währt nicht allzu lange.

Schatzsuchen und Seeschlachten

Es macht durchaus Spaß, gemeinsam und idealerweise mit einer Gruppe von Freunden das Meer unsicher zu machen. Die Unsicherheit, ob ein anderes Schiff am Horizont glockenläutend vorbeifährt oder eine Seeschlacht beginnt, sorgt für eine gewisse Spannung. Auch die Erfüllung der Missionen für die drei unterschiedlichen Fraktionen – Goldsammler, Handelsbund und Seelenorden – ist zu Anfang witzig.

Wahlweise sucht und hebt man Schätze mittels einer Rätselkarte, fängt wilde Tiere und transportiert sie an einen bestimmten Ort, oder man legt sich mit Skelett-Crews an und liefert den Schädel des Kapitäns ab. Zudem kann man andere Spieler kapern und versuchen, etwaiger an Bord befindlicher Schatztruhen habhaft zu werden. Besonders bösartige Zeitgenossen verstecken sich auch bei den Außenposten, um anderen ihre Beute kurz vor ihrem Verkauf abzunehmen. Mit dem so erhaltenen Gold kann man sich bessere Waffen und andere Ausrüstung kaufen. Und ganz selten kann man auf hoher See auch imposanten Seemonstern begegnen.

Inhaltliche Ödnis

Das Problem: Mit der Zeit wird der Ablauf der Missionen zur Routine und das Spiel eintönig. Das gilt auch für Seegefechte, die künstlich in die Länge gezogen werden. Solange das Schiff der Gegner oder das eigene nicht gesunken ist, taucht man nach dem Ableben und einem kurzen Abstecher auf die "Fähre der Verdammten" wieder dort auf. Es ist daher unmöglich, gegnerische Schiffe dauerhaft zu entführen.

Die Kampfsteuerung ist "arcadig", wobei in Säbelgefechten das Geschick der Spieler kaum zu tragen kommt. Der Kampf am Schiff ist relativ frustrierend, da man an diversen Ecken und Enden unerwartet hängen bleiben kann.

An sonstigen Inhalten fehlt es "Sea of Thieves" bis jetzt, was auch Seemonster, Schiffswracks und andere "Fundstücke" nicht wettmachen können. Spielt man allein, verkommt das Game bald zum Segelsimulator. Zwar kann es durchaus entspannend sein, einfach mal durchs Meer zu schippern und sich an Wellen und Himmel zu ergötzen, aber die Bezeichnung "Spiel" wird dabei etwas ad absurdum geführt. Es wird langweilig, so man keine unterhaltsamen Zufallsbekanntschaften schließt, die nicht darauf aus sind, das eigene Schiff zu versenken.

Einsam auf hoher See

Das wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Verteilung der Spieler nur bedingt gut funktioniert. Insbesondere, wenn man allein oder zu zweit unterwegs ist, trifft man erstaunlich selten auf andere Piraten. Das dürfte weniger an der Gesamtzahl der Spieler sein, die bereits in die Millionen gehen soll, denn an ihrer Verteilung.

Die Karte von "Sea of Thieves" ist technisch in verschiedene Instanzen aufgeteilt, in denen die Spieler zusammengewürfelt werden. Das scheint aktuell eher schlecht als recht zu funktionieren. Mitunter ist es möglich, durch die halbe Karte hin- und zurückzukreuzen – was bei gleichzeitiger Erfüllung einer Mission etwa eine Stunde dauert – ohne einer anderen Seeräuberseele zu begegnen.

Der langsame und eintönige Aufstiegsmechanismus über die Missionen drückt zusätzlich auf die Motivation, trotz der Möglichkeiten, mit Gold zusätzliches Equipment und kosmetische Upgrades zu erwerben. Ab einem gewissen Level sollen Spieler gerüchteweise Zugang zu einem Geheimversteck erhalten, wo es neue Missionen und erweiterte Anpassungsmöglichkeiten für das eigene Schiff und Alter Ego gibt. Das scheint momentan jedoch eine Aufgabe zu sein, der sich nur Spieler widmen, die gutes Sitzfleisch beim "Grinden" haben.

Verschenktes Potenzial

Das ist schade, denn die Idee, gemeinsam mit anderen zu Piratenlegenden aufzusteigen, birgt enormes Potenzial. Die künstlerische Umsetzung des Games ist auch wahnsinnig gelungen. Dazu gibt es eine Reihe feiner Details. Man kann sich etwa mit Kanonen selbst verschießen, was eine klare Anspielung auf "Monkey Island" ist. Der Betrunkenheits-Effekt, wenn man es mit dem Grog übertreibt, ist toll umgesetzt. Und wer alkoholbedingt in einen Kübel kotzt, kann sein Erbrochenes bei einem Kampf zu einer Waffe umfunktionieren und Gegner damit kurz lähmen.

Das Spiel krankt an seinem spielerisch rudimentären Grundgerüst, das nach einigen Tagen zu langweilen beginnt – es sei denn, man hat extrem unterhaltsame Freunde, mit denen man unterwegs ist. Nur dann benötigt man nicht unbedingt "Sea of Thieves" als Unterlage, um Spaß zu haben.

Launch-Trailer zu "Sea of Thieves".
Sea of Thieves

Inhalte, bitte!

Der Status quo wäre akzeptabel, hätten Rare und Microsoft ihr Spiel um 25 Euro als Early-Access-Game herausgebracht. Dann wäre klar, dass einige Inhalte einfach noch nicht fertig sind. Als Vollpreisspiel, das je nach Plattform 55 bis 70 Euro kostet, ist dieser Zustand jedoch nicht akzeptabel. Man fühlt sich ein klein wenig an "No Man's Sky" erinnert.

Die Hoffnung ist noch nicht verloren. Aber will man das "Meer der Diebe" aus der stürmischen See der Enttäuschungen in einen sicheren Hafen lenken, sollte man schleunigst ein großes Content-Update nachreichen. (Georg Pichler, 01.04.2018)