In mehreren Ländern senken die Softdrinkhersteller ihre Zuckerdosen, um den neuen Steuern zu entkommen.

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Wien – Für Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) steht eine Zuckersteuer wie in Großbritannien derzeit nicht zur Debatte. Aus Sicht ihrer politischen Funktion hegt sie zwar Sympathien für die Reduktion des Zuckergehalts in Limonaden, das stehe aber nicht im Regierungsprogramm und sei daher kein Thema, verkündete sie, und das, obwohl die Zuckerquote in Österreich im Vergleich zu den Britischen Inseln schon jetzt hoch ist.

Ein türkis-blauer Kniefall vor der Getränkeindustrie also? Nicht unbedingt, wie sich zeigt, wenn man sich näher mit der Sache beschäftigt. Denn der Leiter von Sipcan (die Abkürzung für Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition) und Präsident der Österreichischen Adipositasgesellschaft, der Salzburger Mediziner Friedrich Hoppichler, sieht keinen Vorteil in einer abrupten Reduktion des Zuckeranteils.

Höhere Steuer ab fünf Gramm

Im März 2016 hatte die britische Regierung angekündigt, ab dem 6. April einen höheren Betrag einzuheben, sobald ein Getränk mehr als fünf Gramm Zucker pro hundert Milliliter enthält, ab acht Gramm wird es noch teurer. Die Reaktion der Industrie erfolgte prompt: Anfang der Woche senkte beispielsweise Coca-Cola den Zuckergehalt bei seinen Marken Fanta und Sprite für den britischen Markt von 6,9 auf 4,6 beziehungsweise von 6,6 auf 3,3 Gramm pro 100 Milliliter.

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Die Werte wurden damit teilweise halbiert und liegen weit unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die 7,4 Gramm pro 100 Milliliter als Grenze als geeignet ansieht. Die Situation in Österreich? Mit 100 Milliliter Fanta konsumiert man hierzulande beachtliche 10,3 Gramm Zucker. Bei Sprite sieht es dagegen anders aus: Lediglich 1,9 Gramm finden sich in der Zitruslimonade.

Coca-Cola und Apfelsaft

Den hohen Zuckergehalt von Fanta vergleicht Coca-Cola mit jenem von hundertprozentigem Apfel- oder Orangensaft, wie Unternehmenssprecherin Marie Wagner dem STANDARD mitteilte. "Es ist unser genereller Plan, weltweit unsere Getränke kurz- und mittelfristig durch neue Rezepte kalorienärmer zu machen", sagt Wagner weiter.

Von einer Zuckersteuer auf Limonaden hält der Getränkehersteller wenig. Wagner spricht von "ineffektiven, selektiven Steuern", die "einen unmittelbaren Schaden für Konsumenten" hätten – etwa durch höhere Preise.

Für Mediziner Hopplicher ist der britische Weg ebenfalls nicht zielführend. "Eine zu rasche Reduktion findet keine Akzeptanz bei Konsumenten und Industrie", ist er im STANDARD-Gespräch überzeugt. Denn: "Es handelt sich um ein Suchtverhalten, es geht darum, die Geschmacksrezeptoren herunterzukonditionieren." Grundsätzlich herrsche auch in Österreich das Ziel der Reduktion vor – "das muss aber gestaffelt passieren, innerhalb der nächsten zehn Jahre".

Reduktion um 13,5 Prozent

Fortschritte gebe es dabei durchaus: Das von öffentlichen Stellen und Industrieunternehmen wie Nestlé und Rauch gesponsorte Institut Sipcan gibt eine Liste mit dem Zuckergehalt der populärsten erhältlichen Getränke heraus. 700 Produkte stehen auf der Liste, im Schnitt enthalten 100 Milliliter von diesen 6,51 Gramm Zucker. "Das ist eine Reduktion um 13,5 Prozent seit 2010", betont Hoppichler.

Der Mediziner lobt die Kooperation mit der Industrie, die sich an die Sipcan-Vorgaben halten würde. Mit einer Zuckersteuer kann er sich nicht anfreunden: "Die Industrie würde einfach mehr Süßstoff verwenden – dann müssen alle Süßstoff trinken", warnt er. Die medizinische Evidenzlage zur Langzeitnutzung sei noch gering, gibt er zu bedenken, zusätzlich würde das Problem mit der Konditionierung auf Süße nicht gelöst.

Gesundheitsministerin Hartinger-Kleins Pressesprecher Axel Ganster verweist auf das Regierungsprogramm, wenn es um die Zuckersteuer geht. "Dort ist festgehalten, dass es keine neuen Steuern geben wird", meint er. (Bianca Blei, Michael Möseneder, 29.3.2018)