Sunlight ist nicht der erste Duft, den Parfümeurin Nathalie Lorson für Jil Sander kreierte: Sie hat schon Sensation entworfen. Das war im Jahr 2000.

Foto: Firmenich

Das Parfum Sunlight von Jil Sander ist sehr easy, sehr natürlich, strukturiert.

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STANDARD: Sie gehören zu den weiblichen Pionieren der Parfumindustrie. Wie haben weibliche Nasen das Business verändert?

Nathalie Lorson: Der Geruchssinn einer Frau ist anders als der eines Mannes. Frauen gehen an Düfte einfach anders heran als Männer. Interessant wird es, wenn eine Parfümeurin mit einem männlichen Kollegen zusammenarbeitet – so wie ich immer wieder mit Olivier Cresp. Nur so viel: Wir sind oft unterschiedlicher Meinung.

STANDARD: Haben Frauen die besseren Nasen?

Lorson: Das kann ich so nicht sagen. Frauen nehmen Duftstoffe, Qualitäten, Eigenschaften anders wahr, sensibler sind sie nicht.

STANDARD: Wie viele Düfte braucht eine Frau?

Lorson: Wenn es nach mir geht, braucht eine Frau nicht mehr als zwei, drei Parfums: einen komplexeren Duft für tagsüber und dann einen wärmeren, sexyeren für den Abend, der je nach Jahreszeit variieren kann. Für Männer gilt das Gleiche. Wobei die Parfums der Frauen variantenreicher sind: Bei den Männern ist meist die Kopfnote frisch und die Basis holzig.

STANDARD: Wo trägt man sein Parfum am besten auf?

Lorson: Ich empfehle Frauen, ihr Parfum in die Haare zu sprühen. Das Parfum verteilt sich in Bewegung im ganzen Raum – das funktioniert natürlich insbesondere bei Langhaarigen. Ich selbst trage den Duft meist ganz klassisch auf dem Unterarm auf.

STANDARD: Gehen junge Frauen mit Düften experimentierfreudiger um als die Generation ihrer Mütter?

Lorson: Auf jeden Fall. Das hat auch damit zu tun, dass es große, offene Parfümerien wie Sephora gibt. Durch sie hat sich das Kaufverhalten verändert: Das Ausprobieren von Düften ist heute barrierefreier und unkomplizierter. Früher musste man kleine, überschaubare Parfümerien betreten, in denen man das Personal direkt vor der Nase hatte.

STANDARD: Heute sind viele Frauen und Männer komplett enthaart. Beeinflusst das die "Haltbarkeit" eines Duftes?

Lorson: Ich glaube nicht, dass das irgendwelche Auswirkungen hat. Wir haben im Büro schon Tests mit Menschen ohne Haare gemacht, da haben wir keine großartigen Unterschiede bemerkt.

STANDARD: Junge Frauen sind heute so fitnessverrückt wie kaum eine Generation zuvor. Gehen Sie als Parfümeurin auf Trends ein?

Lorson: Natürlich beobachte ich das alles. Auch die Essgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren völlig verändert: Junge Frauen stehen auf naturbelassene Bioprodukte. Das geht Hand in Hand mit diesem minimalistischen skandinavischen Einrichtungstrend. Wir analysieren solche Trends und reagieren mit unseren Düften darauf. Das Parfum "Sunlight" von Jil Sander, sehr easy, sehr natürlich, strukturiert, passt genau zu dieser Bewegung.

STANDARD: Brauchen wir heute noch die Unterscheidung in Frauen- und Männerdüfte?

Lorson: Wir machen manchmal im Büro einen Blindtest mit verschiedenen Marken. Bei einigen Düften stellt man problemlos fest, dass es sich um einen Männerduft handelt. Die Unterscheidung ist aber nicht mehr so einfach. Bei einigen Nischendüften tun selbst wir Profis uns schwer.

STANDARD: Kein Wunder, unsere Geschlechterbilder haben sich ja auch verändert ...

Lorson: So ist es. Die meisten Frauen stehen im Berufsleben, auch die Männer kümmern sich heute um die Kinder und leben ihre weiblichen Seiten aus. Das lässt sich an den Parfums ablesen: Während in den 1980er-Jahren Männerdüfte meist schwer und maskulin waren, werden heute in Männerparfums "weibliche Noten", in Frauenparfums männliche verwendet. Ich könnte mir vorstellen, dass es diese Unterscheidung in zwanzig Jahren nicht mehr gibt. (Anne Feldkamp, RONDO Exklusiv, 4.6.2018)

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Parfumkolumne von Ela Angerer