Hermann Gmeiner-Wagner, Juwelier Wagner, ist der Graumarkt ein Dorn im Auge.

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Angebot auf der Chronext-Website: Mehr als 20.000 Modelle lassen sich dort finden, der Umsatz der Plattform wird heuer 100 Millionen Euro übersteigen.

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Philipp Man, CEO der Plattform Chronext, sieht sich nicht als Teil des Graumarkts.

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Chrono24, gegründet 2003, mit Sitz in Karlsruhe, wo (hauptsächlich) unautorisierte Händler ihre Ware feilbieten, hat laut eigenen Angaben stolze 300.000 neue und gebrauchte Uhren gelistet. Gesamtwert: drei Milliarden Euro.

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Screenshot der Plattform swissluxury.com: "Bei jedem Zeitmesser, den wir verkaufen, streicht der Hersteller den Löwenanteil am Gewinn ein", sagt Darryl Randall, Besitzer der US-amerikanischen Plattform swissluxury.com, die in guten Jahren auf einen Umsatz von rund zehn Millionen Dollar (8,1 Mio. Euro) kommt.

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Eine Omega Speedmaster Professional, die "Moonwatch", um 20 Prozent günstiger? Eine Rolex Submariner, ebenfalls ein sehr begehrtes Uhrenmodell, gar um 30 Prozent? Was da so an günstigen Angeboten an Zeitmessern im Internet zu finden ist und viele Uhrenliebhaber zugreifen lässt, ist Teil eines Phänomens, das gemeinhin als Graumarkt bezeichnet wird: der Verkauf fabriksneuer Originaluhren zu Kampfpreisen über inoffizielle Händler. An sich nicht neu, hat dieser Parallelmarkt durch den Onlinehandel eine ganz neue Dimension gewonnen.

Es hat aber auch damit zu tun, dass sich die Kollektionen immer schneller erneuern, die Produktion hochwertiger Zeitmesser immer stärker industrialisiert wird. Richtig groß wurde der Graumarkt in den letzten Jahren, in denen die Branche mit einem konjunkturellen Abschwung konfrontiert war, von dem sie sich nur langsam erholt.

Eine Macht geworden

Diese Krise hat dazu geführt, dass die Händler auf ihren Lagerbeständen sitzengeblieben sind, wodurch viel Kapital gebunden wurde. Für sie ist der Graumarkt ein wichtiger – legaler – Vertriebsweg, um ihre Lager zu leeren. Vor allem im Fernen Osten, aber auch in den USA ist dies zu beobachten. Der Graumarkt wurde dadurch zu einer nicht mehr zu ignorierenden Größe. So groß, dass heute schätzungsweise eine von vier mechanischen Uhren, die in der Schweiz hergestellt werden, auf parallelen Kanälen zu einem reduzierten Preis verkauft wird.

Die Schweizer trifft es deswegen so hart, weil gerade die hochpreisigen High-End-Marken, eine Domäne der Eidgenossen, besonders betroffen sind. So belief sich der Anteil des Graumarktes zwischen 2014 und 2016 auf 20 Prozent am globalen Markt (der rund 50 Milliarden Euro schwer ist) für Uhren über 5.000 Euro. Das schätzen die Finanzexperten von Kepler Cheuvreux in Zürich. Davor seien es rund zehn Prozent gewesen.

Auf die Finger klopfen

Hermann Gmeiner-Wagner, Inhaber von Juwelier Wagner in Wien, hat dazu eine ganz klare Meinung: "Wenn Konzessionäre wissentlich Uhren in größeren Stückzahlen an Personen verkaufen, die mit diesen Produkten weiterhandeln, dann sind sie Teil des Problems." Er sieht in diesem Zusammenhang die Uhrenfirmen in der Verantwortung. Während zum Beispiel der Richemont-Konzern (Jaeger-LeCoultre, IWC Schaffhausen etc.) in Asien Lagerbestände zurückkauft, um diese dann zu vernichten, kaufen einige Marken des weltgrößten Luxusgüterkonzerns LVMH, zu dem Uhrenmarken wie Zenith, Hublot oder TAG Heuer gehören, direkt auf dem Graumarkt ein, um herauszufinden, von welchem Händler die Ware ursprünglich stammt.

Diesen schwarzen Schafen wird dann auf die Finger geklopft, im schlimmsten Fall werden sie nicht mehr beliefert. Das verspricht LVMH-Uhrenchef Jean-Claude Biver, der den Graumarkt gar als "Krebsgeschwür" bezeichnet. Man werde mit aller Macht dagegen ankämpfen, dass LVMH-Produkte auf Onlineportalen zu einem Ausverkaufspreis verscherbelt werden. "Wir treffen alle notwendigen rechtlichen Maßnahmen, um gegen den Graumarkt vorzugehen", tönt es auf Anfrage des STANDARD auch vonseiten der Swatch Group, des weltgrößten Uhrenherstellers mit Marken wie Omega, Breguet oder Glashütte Original.

Angekratzte Aura von Prestige

Dabei geht es weniger ums Geld: "Bei jedem Zeitmesser, den wir verkaufen, streicht der Hersteller den Löwenanteil am Gewinn ein", sagt zum Beispiel Darryl Randall, Besitzer der US-amerikanischen Plattform swissluxury.com, die in guten Jahren auf einen Umsatz von rund zehn Millionen Dollar (8,1 Mio. Euro) kommt. Vor allem schmerzt Biver und Co der Verlust der Aura von Prestige, mit der Luxus(uhren)marken ihre Produkte gern umgeben und die sie so begehrenswert macht. Dazu gehört: Es gibt keinen Ausverkauf, keine Rabatte. Punkt. Alles andere würde den langsamen Tod von Luxusgütern überhaupt bedeuten, warnt Uhrenmanager Biver.

Gmeiner-Wagner sieht in den in diesem Zusammenhang oft genannten Verkaufsplattformen wie Chrono24 oder Chronext, die seit Jahren das klassische Business aufmischen, nicht direkt eine Gefährdung für sein Geschäft, meint aber, dass der Verkauf neuer Ware den konzessionierten Händlern vorbehalten sein sollte. Auch hier sieht er die Uhrenfirmen in der Bringschuld.

"Sind kein Teil des Graumarktes"

Erstere Plattform, Chrono24, gegründet 2003, mit Sitz in Karlsruhe, wo (hauptsächlich) unautorisierte Händler ihre Ware feilbieten, hat laut eigenen Angaben stolze 300.000 neue und gebrauchte Uhren gelistet. Gesamtwert: drei Milliarden Euro. Nur damit man sich einen Begriff von den Dimensionen macht, um die es hier geht. Man sieht sich eher als Marktplatz, als Vermittler und macht sein Geld mit den Gebühren, die bei Händlern für die Listung, bei Transaktionen und bei Käufern beim Kauf eingehoben werden.

"Wir wurden oftmals als Teil des Graumarktes tituliert – sind es aber nicht", hält Philipp Man, Gründer von Chronext, fest. Man sei zwar beim Markteintritt 2013 nicht mit offenen Armen empfangen worden – "online und Uhren, das ging in den meisten Köpfen noch nicht zusammen" -, aber mittlerweile habe auch hier ein Umdenken stattgefunden. "Viele Hersteller arbeiten jetzt direkt mit uns zusammen", sagt Man. Wer, das dürfe er noch nicht verraten.

Lokale Märkte kannibalisieren

Mehr als 20.000 Modelle finden sich bei Chronext, der Umsatz wird heuer 100 Millionen Euro übersteigen. Die Uhren kommen mit einem Echtheitszertifikat, 24-monatiger Garantie, werden von zertifizierten Uhrmachern begutachtet respektive revidiert ... ganz so wie bei einem Fachhändler auch. Nur dass die Preise eindeutig niedriger sind. "Wenn der Preis die einzige Differenzierung ist, ist das der Tod", sagt Man. "Man wird im Internet immer einen günstigeren Anbieter finden. Für ein paar Euro weniger sind manche bereit, bei Qualität, Service, Garantie etc. Abstriche zu machen."

Jedenfalls sei für ihn Online nicht Schuld daran, dass der Graumarkt existiert. Es sei der stationäre Handel, der ihn erst ermöglicht: "Online ist nur das Ventil für eine Fehlallokation von Ware. Es braucht eine zentrale Stelle, die alle Märkte im Auge behält, damit die Ware nicht global hin und her geschoben wird und lokale Märkte kannibalisiert werden." Dafür seien in erster Linie jene Händler verantwortlich, die Ware bestellen, um sie dann gezielt in den Graumarkt zu pumpen. Es gehe letztendlich um Kontrolle dieses Gebarens.

Regulärer Preis

Aber wie kontrolliert man etwas, das man eigentlich nicht kontrollieren kann? Ein Weg ist, die Produktion streng zu limitieren, überall das gleiche Preisniveau zu halten, um Wechselkurseffekte auszuschließen, und nur jene Märkte zu bedienen, auf denen gerade Nachfrage herrscht. Audemars Piguet etwa ist das gelungen (siehe Flach halten). Andere wie Frédérique Constant, aber auch Porsche Design Timepieces sind mittlerweile mit einer eigenen "Brand Boutique" bei Chrono24 vetreten. Rabatte? Fehlanzeige: Die Uhren gibt's nur zum regulären Preis. (Markus Böhm, RONDO exklusiv, 10.5.2018)

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