Noch ist die Auszählung nicht beendet, aber die überwältigende Zustimmung für Sisi ist sicher.

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Kairo/Wien – Die offiziellen Ergebnisse werden noch etwas auf sich warten lassen, aber die Spannung hält sich in Grenzen: Um die 90 Prozent werden es für Amtsinhaber Abdelfattah al-Sisi werden, hieß es am Donnerstag, dem Tag nach den dreitägigen Präsidentschaftswahlen in Ägypten. Das wurde erwartet – Sisi-Kritiker sprechen von einem Plebiszit. Wenn der einzige Gegenkandidat, Mussa Mustafa Mussa, dazu da war, diesen Eindruck zu ändern, dann ist das schiefgegangen.

Der 63-jährige frühere Armeechef, Feldmarschall Sisi, tritt damit eine weitere vierjährige Amtszeit an. Laut den beiden Versionen der neuen ägyptischen Verfassung nach dem Arabischen Frühling, von 2012 und 2014, sollte es damit sein Bewenden haben. Aber Bestrebungen, Sisi länger im Amt zu halten, gab es auch gleich nach seiner ersten Wahl 2014. Das 2015 gewählte Parlament kann als Sisi-Unterstützungsverein gelten: Mindestens 549 der 596 Abgeordneten haben sich für seine Wiederwahl eingesetzt. Der Präsident selbst hat so gut wie keinen Wahlkampf betrieben.

"Akklamatorische" Wahlen

Und das ist typisch für Wahlen, die man als "akklamatorisch" definieren könnte, wie Mona Al-Ghobashy (Middle East Research and Information Project) schreibt. Nicht der Kandidat geht zu den Wählern und Wählerinnen, sondern sie zu ihm, beziehungsweise werden sie zu ihm, an die Urnen, gebracht, durch Mobilisierung, für die staatliche Strukturen eingesetzt werden, oder auch mithilfe kleiner Geschenke. Offizielle in den Provinzen wetteiferten, wer mehr Wähler bringt.

Insofern ist auch die Wahlbeteiligung nur bedingt aussagekräftig, mit Ausnahme der Tatsache, dass sie trotz allem – am Schluss auch Strafandrohungen für Nichtwähler – nicht sehr hoch war. Aber an die 50 Prozent der Wahlberechtigten und 90 Prozent Sisi-Stimmen reichen: Dann hat Sisi wie 2014 mehr als die 13,2 Millionen Stimmen, auf die der Muslimbruder Mohammed Morsi bei der zweiten Runde der bisher einzigen kompetitiven Präsidentschaftswahlen Ägyptens 2012 kam.

Diese Zahl spielte schon beim Sturz Morsis 2013 eine Rolle, als es galt, mehr Demonstranten gegen ihn und die Muslimbrüder auf die Straße zu bringen, als ihn gewählt hatten. Auch hier wurde nicht durch einen demokratischen Prozess Legitimität geschaffen, sondern durch eine Bewegung, die "das Volk" – wer immer das ist – und die neue Führung zusammenbrachte. Zweifel daran sind nicht gestattet: Aber das Ausmaß der Repression in Ägypten, die sich ja nicht nur gegen Muslimbrüder, sondern auch gegen jeden anderen kritischen politischen Aktivismus richtet, reflektiert ein gewisses Unbehagen.

Beobachter meinen indes, dass sich die Ägypter dennoch nicht in die Zeit vor 2011 zurückstoßen lassen: Die Menschen sind sensibler und reagieren offener, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Je mehr Sisi die Zügel anzieht, desto mehr Verantwortung übernimmt er persönlich. Zwar zieht die Wirtschaft, vor allem der Tourismus, langsam wieder an, aber fallende Preisstützungen und andere staatliche Sparmaßnahmen machen vielen zu schaffen.

Die saudischen Freunde

Sie haben ihn trotzdem gewählt. Auch jene unter seiner Anhängerschaft, bei denen die übergroße Freundschaft mit Saudi-Arabien – an das Sisi laut rechtlicher Expertise die Inseln Tiran und Sanafir zurückgegeben hat – Unbehagen erzeugt. Der Besuch von Kronprinz Mohammed bin Salman wurde jüngst groß inszeniert, für viele Ägypter bleibt Saudi-Arabien aber jenes Land, das durch den Export seines rigiden Islam den Aufstieg der Muslimbrüder erst anstieß.

In Saudi-Arabien propagiert der Kronprinz eine Öffnung des Islam, in Ägypten wächst der islamische Druck: Gerade wegen der Unterdrückung der Muslimbrüder wollen der Staat und seine Unterstützer zeigen, dass sie gut islamisch sind. So wird ein Gesetz angedacht, das Atheismus unter Strafe stellen würde – dazu passend warf ein TV-Host kürzlich einen bekennenden Atheisten empört aus der Sendung.

Der Staat ist auch der Wächter der Moral und des Nationalen: Anzüglichkeiten, etwa von Sängerinnen, werden als "Gefahr für die Gesellschaft" nicht mehr geduldet. Die Unantastbarkeit der nationalen Würde hat zumindest für Nichtbetroffene manchmal komische Züge: So wurde Popstar Sherine wegen eines Witzes über die Qualität des Nilwassers in erster Instanz zu sechs Monaten verurteilt. (Gudrun Harrer, 29.3.2018)