Thomas Arnoldner, Stefan Dörfler, Antonella Mei-Pochtler, Margarete Schramböck und Bernhard Schindler im Haus der Industriellenvereinigung in Wien zu Führungsfragen. Karin Bauer hat moderiert

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Digitalisierung und Innovationsdruck: Was bedeutet das für den Führungsjob? Wie können Führungskräfte Innovationen antreiben? Das in der Industriellenvereinigung ansässige Wirtschaftsforum der Führungskräfte hatte kein Problem mit der Vermarktung dieser Rollendiskussion angesichts des Podiums: Margarete Schramböck, Ministerin für den Wirtschaftsstandort und Digitalisierung, Antonella Mei-Pochter, strategische Beraterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz, nach 30 Jahren in der Boston Consulting Group dort nun Senior Adviser, hauptberuflich auf dem Weg zur Investorin. Dazu Erste-Bank-Vorstand Stefan Dörfler und T-Systems-Vorstand Thomas Arnoldner und der Münchner Gesundheitsunternehmer Bernhard Schindler (Profession Fit).

"Den ganzen Tag Dinge aus dem Weg räumen, die hindern, die nicht mehr funktionieren, Steine aus dem Weg räumen, fragen: Was brauchst du, damit es für dich klappt? Das ist die Hauptaufgabe einer Führungskraft, in der Wirtschaft und in der Politik, wenn ich ein Ministerium führe." Margarete Schramböck spricht die Sprache der Führungskräfte im Publikum – oftmaliger Zwischenapplaus bestätigt es. Etwa, wenn sie von sich scheinbar witzelnd als "Mehr-Ministerin" (Vermögen des Landes mehren) spricht. Und Antonella Mei-Pochtler verstärkend assistiert, sie hoffe, dass der Finanzminister dann der "Weniger-Minister" (Schulden und Altlasten) sei.

Klassische Aufgaben

Apropos alt: Bei all den langen Listen zu den gefragten Eigenschaften zeitgemäßer Führung – die manchmal zum Buzzword-Bingo zwischen holokratisch und disruptiv geraten – postuliert Mei-Pochtler: "Klassische Führungsfähigkeiten werden noch wichtiger: Menschen motivieren, selektieren, zusammenführen." Es seien immer mehr Diversitäten zu koordinieren, vor allem, was unterschiedliche Kompetenzen anbelange. Und es gehe immer mehr um soziale Kompetenzen, Selektion nach charakterlichen Eigenschaften rücke ins Zentrum. "Charakterliche Stärke führt zu mehr Offenheit gegenüber komplementären Fähigkeiten, führt dazu, dass andere Kompetenzen eher respektiert und honoriert werden." Führung benötige diesbezüglich eine "gewisse Größe": Also zu ermöglichen statt zu kontrollieren, andere, die in anderen Bereichen besser sind, an den Tisch lassen.

Beide sind überzeugt, dass die zentrale Fähigkeit von Führungskräften als Innovationstreiber ist, "loslassen zu können". Vom Fortschreiben und Festhalten bekannter Prozesse, von alten Bildern wie "haben wir immer schon so gemacht", "machen wir, weil ich es sage", "mache ich selbst". In diversen Teams müsse ohnedies zwangsweise ein solches Loslassen stattfinden, weil dort weder zu herrschen noch zu kontrollieren ist. Mei-Pochtler: "Nur das Mini-Me, also die kleinere Version von mir selbst, geht in wirklich gemischten Teams nicht."

Führung und Verführung

Dass es sich bei als "gut" empfundener Führung auch ein Stück weit um "Verführung" handelt, gibt Mei-Pochtler unumwunden zu, da es ja um das Erzeugen von Gefolgschaft gehe.

Für Thomas Arnoldner stellen sich Fragen des Loslassens in der internen Organisation konkret etwa in den Teams der Developer: "Diese Leute kriegt man nur mit dynamischem Arbeitsumfeld, mit Agilität, mit Freiraum." Die "lange Leine" nennt Arnoldner das. "'You get what you control' ist sowieso nicht mein Führungsstil", sagt er. Er sei der Typ der langen Leine, gebe aber die Vision vor und die Orientierung: "Das nicht als Anweisung, sondern als Vermittlung: Wir kommen gut zurecht, ich weiß nicht immer und überall exakt, wie, aber ich sehe unsere Stärken, glaube an sie und deswegen bin ich überzeugt."

Bankvorstand Stefan Dörfler – er sitzt im Erste Campus im Open Space – beschreibt seinen eigenen Transformationsprozess anhand der Einführung der E-Banking-Lösung George. "Da wurde ein Spiegel vorgehalten, der klar gezeigt hat: Sehr vieles von dem, was du in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht hast, geht so nicht mehr." Conclusio allgemein: Führungskräfte hätten sich heutzutage in einem radikalen Ausmaß infrage zu stellen.

Anstrengender, spannender

Eine erweiterte Liste basaler Führungsqualitäten 2018+ ergibt sich aus der Diskussion: der beste Coach sein mit starker Eigenkompetenz, multilingual, agil, medienfähig, nicht leicht zu täuschen, fähig zu Vertrauen und gleichzeitig wissend, wo und wem nicht zu trauen ist. Versiert in Finanz- und Kapitalmarktangelegenheiten – es wird viel addiert zum Idealbild zeitgemäßer Führungskräfte.

Den erweiterten Verantwortungsbereich der Führung für die Mitarbeitergesundheit bringt Bernhard Schindler ins Spiel – schließlich gehe es ja um eine Unternehmenskultur, die möglichst gewinnbringende Bindungen schaffe und Motivation nicht verhindere oder zerstöre. Dass Führungskräfte sich da um Gesundheitsaspekte in Mitarbeiterleben sorgen sollen, versteht sich von selbst. Mit Apps und Plattformen, die intern genützt werden können, spielt das also dem Rollenaspekt der Ermöglichung in die Hände. Abgesehen von Vorbildwirkung und Fähigkeit zu gesunder Selbstführung. Mei-Pochtler ergänzt die Könnensliste noch: immer präsent und erreichbar 24/7. "Das ist auch physisch sehr herausfordernd. Es wird noch anstrengender, aber auch viel spannender." (kbau, 30.3.2018)