Frauenquote in Aufsichtsräten heimischer Großunternehmen: Eine Menge Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten.

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Die Geschlechterquote bringt Vielfalt in den Aufsichtsrat, so viel ist angesichts der Ausgangslage mathematisch sicher. Unterschiedliche Fähigkeiten, Perspektiven und Ideen wirken sich positiv auf den langfristigen Unternehmenserfolg aus, auch das ist eine vielfach nachgewiesene Gewissheit (so auch der Initiativantrag der Regierungsparteien). Das nun für österreichische Unternehmen zu erwirken, dazu ist das "Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat" erlassen worden. Dieses Gesetz ist dem Gesetzgeber an manchen Stellen mehr und an anderen weniger gut gelungen.

Seit 1. Jänner 2018 muss der Aufsichtsrat von größeren Unternehmen im Ausmaß von mindestens 30 Prozent mit Frauen und von mindestens 30 Prozent mit Männern besetzt werden. Diese Geschlechterquote gilt grundsätzlich sowohl für die Kapital- als auch für die Arbeitnehmervertretung (AN-Vertretung) und muss seit Anfang 2018 bei jeder Wahl oder Entsendung eingehalten werden. Laut aktuellem Management-Report der Arbeiterkammer (AK) unterliegen insgesamt schätzungsweise 70 bis 80 Gesellschaften dieser Quotenregelung.

Die nächste Wahl

In einigen davon wurde der Aufsichtsrat erst vergangenes Jahr zur Gänze neu gewählt, sodass die Quote erst bei der nächsten Wahl (also teilweise erst in etwas mehr als fünf Jahren) erfüllt werden muss. Derzeit liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der umsatzstärksten 200 Unternehmen laut AK-Management-Report bei 18,5 Prozent, was zwar eine minimale Steigerung von 0,4 Prozentpunkten zu 2017 bedeutet, aber immer noch – auch international – eine sehr niedrige Repräsentanz von Frauen zeigt.

Die Quotenregelung erfasst börsennotierte Gesellschaften und Gesellschaften, in denen dauernd mehr als 1000 Arbeitnehmer/innen beschäftigt sind. Dazu zählen Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und die Societas Europaea mit satzungsmäßigem Sitz im Inland.

Wer zählt in der Belegschaft?

Laut AK-Management-Report müssen aktuell 31 börsennotierte Gesellschaften die neue Quotenregelung einhalten. Ausländische Gesellschaften, die an der Wiener Börse zugelassen sind, sind ausgenommen. Die Quotenpflicht gilt auch nicht für eine börsennotierte Gesellschaft, bei welcher lediglich Anleihen (und keine Aktien) zugelassen sind und die darüber hinaus nicht dauernd mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Gesetzgeber hat jedoch nicht ausdrücklich geregelt, welche Personen als "Arbeitnehmer" zu zählen sind. Es ist wohl davon auszugehen, dass all jene Arbeitnehmer berücksichtigt werden müssen, die "im Rahmen des Betriebs beschäftigt" sind. Dazu zählen auch an das Unternehmen überlassene Arbeitskräfte.

Darüber hinaus ist unklar, ob der Schwellenwert im Jahresdurchschnitt, während eines größten Teils des Jahres oder – so die überwiegende Meinung – in jedem Monat eines Kalenderjahres überschritten werden muss, um die Quotenpflicht für das darauffolgende Kalenderjahr zu begründen. Letzteres könnte dazu führen, dass Unternehmen aus Branchen ausgenommen sind, in denen die Belegschaftsgröße je nach Saison stark variiert.

Die Materialien enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Ausnahme beabsichtigt war. In einem Punkt ist der Wortlaut jedoch klar: Es ist auf die Beschäftigtenzahl im einzelnen Unternehmen und nicht auf jene im gesamten Konzern abzustellen. Viele große (Industrie-)Konzerne fallen dadurch aus dem Anwendungsbereich. Darüber hinaus wird es Unternehmen ermöglicht, die Quotenpflicht durch gezielte (unternehmensübergreifende) Umstrukturierung zu vermeiden, wenn sie es denn darauf anlegen.

Ohne genug Frauen keine Quote

Eine weitere, größere Einschränkung der Quotenpflicht wurde erst im Justizausschuss des Parlaments beschlossen: Unternehmen, deren Belegschaft nicht zumindest aus 20 Prozent Frauen bzw. Männern besteht, sind vom Anwendungsbereich ausgenommen. Normalerweise werden gravierende Änderungen durch den Ausschuss im Ausschussbericht erläutert. Nicht so in diesem Fall. Für die Entsendung in den Aufsichtsrat durch die AN-Vertretung kann diese Ausnahme vertretbar begründet werden. Diese dürfen nämlich nur Betriebsratsmitglieder entsenden, die gleichzeitig als Teil der Belegschaft (des Unternehmens) bei einer Betriebsratswahl wahlberechtigt sind. Die Auswahlmöglichkeit ist daher von vorneherein auf die Belegschaft begrenzt. Auf die Kapitalvertretung im Aufsichtsrat trifft das aber gerade nicht zu.

Beide Seiten gemeinsam

Für die Kapitalvertretung gilt die Quotenpflicht darüber hinaus nur, wenn der Aufsichtsrat aus mindestens sechs Kapitalvertretern besteht, für die AN-Vertretung, wenn mindestens drei AN-Vertreter zu entsenden sind. Drei AN-Vertreter sind aber bereits bei fünf Kapitalvertretern im Aufsichtsrat zu entsenden. An die Variante 5:3 hat der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht, als er diese weitreichende Ausnahmeregelung eingefügt hat. In der Fachliteratur wird dieses Problem durch die einheitliche Auslegung dieser Regelungen gelöst, wonach die Quotenpflicht (auch) für die AN-Vertretung erst ab einem Verhältnis von sechs Kapitalvertretern zu drei AN-Vertreter gelten soll.

Die Geschlechterquote ist von der Kapitalvertretung und der AN-Vertretung im Aufsichtsrat gemeinsam zu erfüllen. Eine Seite muss daher nicht erfüllen, wenn die andere übererfüllt. Die Mehrheit jeder Seite kann jedoch spätestens bis sechs Wochen vor einer Wahl oder Entsendung Widerspruch gegen die Gesamterfüllung bei dem/der Aufsichtsratsvorsitzenden einlegen. Der Widerspruch hat zur Folge, dass die Geschlechterquote getrennt zu erfüllen ist. Der/die Aufsichtsratsvorsitzende kann den Widerspruch jener Seite, der er/sie angehört, natürlich unterstützen.

Im Detail ist die Regelung zum Widerspruch jedoch mangelhaft konstruiert. So ist nicht vorgesehen, in welcher Form die Mehrheit den Widerspruch zu bilden hat und wie dieser zu erklären ist. In der Praxis macht es Sinn, in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats eine klare Regelung dafür zu schaffen. Der Widerspruch gilt grundsätzlich nur für die darauffolgende Wahl/Entsendung. Die Kapital- und AN-Vertreter können jedoch einen Verzicht vereinbaren. Unklar ist, ob der Verzicht nur für einen befristeten Zeitraum oder auch unbefristet (mit einseitiger Auflösungsmöglichkeit) vereinbart werden darf.

Leere Stühle als Sanktion

Bei Nichterfüllung der Quotenpflicht ist die Wahl/Entsendung nichtig. Es drohen zwar keine Geldbußen, so wie es laut AK-Management-Report etwa in Portugal, Italien oder Norwegen der Fall sein kann. Der Stuhl des Aufsichtsratsmitglieds, dessen Wahl/Entsendung gegen die Quote verstößt, bleibt jedoch leer.

Bei Wahlen ist daher jedenfalls die Einzelabstimmung (pro Wahlvorgang) zu empfehlen, sodass bei der Durchführung von mehreren Wahlvorgängen nur der einzelne und nicht alle nichtig sind. Wie sich leere Stühle auf die Beschlüsse eines unvollständigen Aufsichtsrats auswirken, hat der Gesetzgeber auch in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich geregelt. Bislang wurde zu fehlerhaften Beschlüssen je nach Art des Mangels vertreten, dass diese rechtsunwirksam, nur anfechtbar oder aber dennoch wirksam sein können. Die fehlende gesetzliche Regelung bringt daher Rechtsunsicherheit für die Praxis.

Der Gesetzgeber wollte eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten von Großunternehmen schaffen. Tatsächlich umgesetzt wurde eine Quotenregelung mit vielen – teilweise sachlich nicht nachvollziehbaren – Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Der Gesetzgeber kann diese Lücken jederzeit schließen. Die Quotenpflicht könnte aber auch in der jetzigen Form dazu führen, dass die Qualifikation sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder vielleicht noch etwas gründlicher als schon bisher überprüft wird. (Miriam Mitschka, Anna Steiger, 30.3.2018)