Runterkommen vom Stress und ruhig werden: Dafür gibt es digitale Unterstützung.

Illustration: Francesco Ciccolella

Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Gesundheit und versucht gelegentlich, den digitalen Stress abzuschalten.

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Wir wissen, dass es falsch ist. Und tun es trotzdem: Wir sind auch im Urlaub und am Wochenende stets erreichbar, checken unsere E-Mails gleich nach dem Aufstehen, legen das Handy beim Abendessen auf den Tisch, um nichts zu verpassen. Bis zu vier Stunden am Tag verbringen Menschen mit dem Handy in der Hand, zeigen Studien.

Gesund ist das nicht: Zwar wird noch diskutiert, ob es eine Smartphonesucht gibt. Verspannungen im Nacken vom Starren auf das Handy sind aber längst Realität. Sogar zu Verkehrsunfällen kommt es, weil Fußgänger von ihrem Mobiltelefon so abgelenkt sind, dass sie nicht nach links und rechts schauen.

Zeit also, abzuschalten. Der logische erste Schritt wäre natürlich, einfach das Handy nicht mehr aufzuladen. Wieder einmal ein Buch lesen, dem Gegenüber die ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, Zeit für sich haben. Klingt super. Aber dieser "Digital Detox", wie der bewusste Verzicht aufs Handy neuerdings genannt wird, ist vielen zu extrem. Der Plan B klingt jedoch paradox: Ausgerechnet das Smartphone könnte uns dabei unterstützen, davon loszukommen.

Zeit verplempern

Forest heißt eine App, mit der man virtuell Bäume pflanzt: Über eine zuvor festgelegte Zeit, zum Beispiel 25 Minuten, entwickelt sich ein zartes Pflänzchen zum stolzen Baum. Durch Forest soll konzentriertes Arbeiten ohne die Ablenkung des Smartphones wieder erlernt werden. "Lass mich in Ruhe", heißt es dann, wenn man den Bildschirm aktiviert.

Und erlaubt man sich tatsächlich, einmal nur ganz kurz Facebook zu checken, um zu schauen, was man in der digitalen Blase gerade verpasst, poppt sofort eine Nachricht am Bildschirm auf: "Komm bald zurück", fordert die App, "damit deine Bäume nicht sterben." Eine Drohung, die wirkt. Wer steht schon gern als Baummörderin da? Wer einen Tag lang konzentriert arbeitet, kann so einen kleinen, sattgrünen Wald sein Eigen nennen – wenn auch nur am Handy-Display. Wobei – eigentlich wollten wir darauf ja weniger schauen. Ach, es ist kompliziert.

Eine andere Idee, um zur Ruhe zu kommen: Die App Headspace bietet Entspannungswilligen geführte Meditationen an. Und zwar ganz ohne Räucherstäbchen und Esoterik: Nötig ist nur ein bequemer Platz zum Sitzen, ein gerader Rücken und geschlossene Augen. Den Rest übernimmt Andy, die Stimme von Headspace, die aus dem Handy tönt. Er nimmt auch Anfänger mit auf die innere Reise, erklärt, wie man korrekt atmet und unnötige Ablenkungen vermeidet. Die Einheiten dauern nur wenige Minuten. Das geht auch im Büro.

An den Tod erinnert

Wenn all das nichts bringt, gibt es allerdings eine noch wesentlich drastischere Methode, nämlich eine App namens WeCroak. Sie erinnert User fünfmal am Tag daran, dass sie sterben werden: "Don't forget, you're going to die", steht dann plötzlich am Handydisplay. Es kommt immer im unpassendsten Moment. Zum Beispiel dann, wenn man gerade ultragroßen Stress hat. Das Memento mori lässt einen innehalten. Ist das alles wirklich so wichtig? Und alles wird relativ. Auch die Urlaubsfotos einer Bekannten auf Instagram. Soll ich damit meine Lebenszeit verplempern.

Die Benachrichtigungen, Erinnerungen an die Sterblichkeit, würden ebenso plötzlich daherkommen wie der Tod, sagen die Erfinder von WeCroak. Wer will, bekommt auch noch ein Zitat zum Nachdenken serviert. "Story is our only boat for sailing on the river of time", ist zum Beispiel eines von der Schriftstellerin Ursula K. Le Guin. Ob wir uns bei dieser Reise vom Smartphone navigieren lassen wollen oder können?

Eine Anmerkung zum Schluss: Beim Entstehen dieses Artikels habe auch ich virtuell Bäume gepflanzt. Es ist ein großer Wald entstanden. (Franziska Zoidl, 13.5.2018)