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Wird neuer Chefdirigent der Wiener Symphoniker: Andrés Orozco-Estrada.

Foto: AP/Olaf Malzahn

Als er vor ein paar Jahren beschloss, das Houston Symphony Orchestra zu übernehmen und als Chefdirigent der Niederösterreichischen Tonkünstler nicht zu verlängern, hatte Andrés Orozco-Estrada nicht das Gefühl, wegzugehen. Die gleiche Empfindung hatte der 1977 in Medellín (Kolumbien) Geborene, als er zusätzlich Chef des Frankfurter HR-Sinfonieorchesters wurde.

Denn Orozco-Estradas Familie (er ist verheiratet und hat eine Tochter) blieb in dieser Zeit immer in Wien. Auch ließ er die Verbindung zu den Wiener Orchestern nicht abreißen. Die Donaustadt blieb Heimat. Dennoch steht ab 2021 quasi eine Rückkehr an – Orozco-Estrada wird Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Der Klangkörper ist zu beglückwünschen, der freundliche Kolumbianer ist einer der interessantesten Dirigenten der jüngeren Generation.

Aus nicht sonderlich wohlhabenden Verhältnissen kommend, zeigte sich seine Frühbegabung in einer seiner Mutter eher Sorgen bereitenden Art und Weise: Er, Andrés, habe im Wohnzimmer ein imaginäres Orchester dirigiert, was Zweifel an seinem Geisteszustand weckte, sagte Orozco-Estrada im Interview mit dem STANDARD. Der Weg zum Psychologen konnte jedoch Sorgen zerstreuen und dem Jungen den Weg zu einer Ausbildung mit echten Orchestern ebnen. Schließlich schaffte Orozco-Estrada mit 19 die Aufnahmeprüfung für die Wiener Musikhochschule und war glücklich, ebendort studieren zu können, wo schon Claudio Abbado und Zubin Mehta die Schulbank drückten.

Der im Umgang entspannt-stille Dirigent läuft auf der Bühne zu signifikanter Intensität auf. Sein Interesse gilt jedoch nie schnell verwelkenden Oberflächeneffekten. Orozco-Estrada sucht die Vertiefung von Emotion, sucht die Botschaft hinter der Partituroberfläche.

Der Respekt vor dem Werk verschmilzt bei ihm mit Emotion und klarer Aussage – und dies anhand eines breiten Repertoires. Der Dirigent, der einst auch beim Grazer Recreation-Orchester reüssierte, will zwar ein Spezialist sein, jedoch ein Spezialist in der Interpretationskunst an sich. Es gehe darum, "mit dem Werk eine subjektive Verbindung einzugehen, auf Basis dessen, was ich als Musiker wissen kann".

Dieser undogmatische, im Kern auch demokratisch-kollegiale Ansatz lässt ihn zum idealen Nachfolger von Philippe Jordan werden, der die Arbeit des Kollegen als Musikchef der Wiener Staatsoper sicher mit Interesse verfolgen wird. (Ljubisa Tosic, 30.3.2018)