Der Taximarkt ist rigide reguliert, der Fahrtarif in vielen Regionen Österreichs behördlich festgesetzt. Nicht nur in Wien: Vor kurzem erst wurde die ganze Steiermark zur Tarifzone erklärt. Taxler können auch nicht einfach überall aktiv versuchen, Kunden anzuwerben: Für Wiener Taxis ist das am Flughafen Schwechat zum Beispiel verboten.

Zugleich macht den Taxlern mit Uber ein Unternehmen Konkurrenz, das sich nicht an dieses starre System hält. Wie ist es um den Wettbewerb am Taximarkt bestellt? Das war die zentrale Fragestellung für das Interview mit dem Chef der größten Taxivermittlungszentrale in Österreich, Christian Holzhauser, von Taxi 40100.

Das Taxi ist ein Teil der Daseinsvorsorge: Christian Holzhauser.
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STANDARD: Ist das Taxigewerbe ein Kartell, und Sie sind so etwas wie einer der großen Kartellbosse?

Holzhauser: Der Taxivermittlungsmarkt ist ein natürliches Oligopol. Es gibt viele Kunden und im Vergleich dazu wenige Anbieter. Warum ist das so? Ein Unternehmer mit einem oder zwei Wagen kann nicht ganz Wien bedienen, kann keine geringen Wartezeiten auf ein Taxi garantieren und hätte womöglich viele Leerfahrten, weil er keinen großen Kundenstock hat. Das heißt, es braucht eine gewisse Größe, um die ganze Stadt abzudecken. Dabei war die Konkurrenz am Wiener Markt im internationalen Vergleich immer schon recht hoch. Es hat einst drei große Taxifunkzentralen gegeben. Heute gibt es in Wien uns, Taxi 31300, Mytaxi (deutsche Taxi-Bestell-App, Anm.) als große Player am Markt und Uber, das aber Mietwagen vermittelt. Daneben gibt es Taxis ohne Anbindung an ein Funknetz. Es gibt also reichlich Wettbewerb.

STANDARD: Und Preisabsprachen. Ein Beispiel: Die verschiedenen Taxiunternehmen verlangen alle von Wien bis zum Flughafen Schwechat 36 Euro. Das ist nirgends gesetzlich festgelegt. Wie gibt es das?

Holzhauser: Wir haben als Taxi 40100, als größtes Unternehmen in der Branche, unseren Preis zum Flughafen festgesetzt, worauf andere Unternehmen uns nachgezogen sind. Das ist vom Kartellgericht auch überprüft worden. Preisabsprachen gab es da keineswegs, wir haben uns richtig verhalten.

STANDARD: Wozu braucht es im 21. Jahrhundert behördlich festgesetzte Taxitarife: Warum sollen sich Kunden und Taxifahrer nicht einfach einen Preis aushandeln?

Holzhauser: Die festgelegten Tarife dienen dem Konsumentenschutz. Sie sollen zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Taxi zu einem transparenten Preis bekommen. Wenn Sie in der Nacht zum Taxistandplatz kommen, es in Strömen regnet, sie nach Hause müssen und nur ein Taxi dasteht, kann er von Ihnen trotzdem nicht mehr Geld verlangen – und er muss Sie nach Hause bringen. Das Taxi ist in der Stadt dadurch Teil der Daseinsvorsorge, weil es einen Lückenschluss zum öffentlichen Verkehr vollzieht. Wenn Sie so wollen, ist der einheitliche Taxitarif gleichzusetzen mit den einheitlichen Ticketpreisen für Öffis. Genauso gut können Sie ja dann sagen: Warum gibt es bei den Wiener Linien immer einen Ticketpreis? Das könnte ja auch frei fließend sein.

STANDARD: Früher war man einem vorbeifahrenden Taxifahrer vielleicht ausgeliefert. Heute kann ich jederzeit via App ein Taxi oder Uber rufen und die Preise vergleichen.

Holzhauser: Es gibt immer noch viele Menschen, die zum Standplatz gehen oder ein vorbeifahrendes Fahrzeug stoppen, ganz ohne App. Dieser Markt macht noch heute einen großen Teil der Fahrten aus. Ohne Tarif gäbe es für diese Gruppe keine Preissicherheit. In Irland wurde der Taximarkt dereguliert, was dazu geführt hat, dass sich in Dublin die Taxizahl versechsfacht hat und die Beschwerden über zu hohe Taxipreise gestiegen sind. Die Unsicherheit für die Kunden hat zugenommen, weil jeder verlangt hat, was er wollte. Und dann erfüllt der Tarif noch einen Zweck.

STANDARD: Und zwar?

Holzhauser: Er garantiert, dass kein ruinöser Preiswettbewerb stattfindet.

STANDARD: Jetzt sind wir bei Uber.

Holzhauser: So ist es. Wir haben schon gesehen, dass auf Märkten, die von Uber einmal kontrolliert werden, die Preise stark zu steigen beginnen. Im vergangenen Jahr hat Uber in Hongkong, wo sie der marktbeherrschende App-Anbieter sind, seine Preise um 80 Prozent erhöht. Hier gibt es eine klare Monopolisierungsstrategie.

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"Sie wollen uns umbringen": Protest von Taxilenkern gegen Uber in Madrid. Nicht nur in Österreich laufen Taxler Sturm gegen Uber.
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STANDARD: Mit Taxi 40100 hätte mich die Fahrt in ihre Zentrale 20 Euro gekostet, mit Uber 15. Rührt Ihre Kritik an Uber nicht daher, dass Sie mit dem Fahrtenvermittler nicht mithalten können?

Holzhauser: Man darf nicht vergessen, dass Uber mehrere Rechtsbrüche begeht, um solche Angebote machen zu können.

STANDARD: Mehrere?

Holzhauser: Das Taxigewerbe besteht aus der Echtzeitvermittlung eines Fahrzeuges an einen Fahrgast zu einem behördlich festgesetzten Tarif. Die Fahrt kommt ad hoc zustande, weshalb der Taxilenker speziell geschult sein und eine Prüfung ablegen muss. Weil die Fahrt spontan ist, muss der Taxilenker vertrauenswürdig sein, er darf nicht vorbestraft sein, was behördlich geprüft wird. Bei Mietwagen ist das anders: Der Fahrpreis ist frei gestaltbar. Der Gesetzgeber hat hier einen Kunden vor Augen, der lange vor Fahrtantritt und ohne Druck den Mietpreis mit dem Unternehmer ausverhandelt. Der Mietwagenlenker muss auch nicht speziell geschult sein, weil er Zeit hat, sich auf eine Fahrt vorzubereiten. Mietwagen müssten nach jeder Fahrt in die Mietwagenzentrale zurückkehren. Aber Uber hält sich an diese Unterscheidung nicht. Sie bieten Taxidienste an und nutzen das Mietwagensystem. Uber schafft so seinen eigenen illegalen Markt.

STANDARD: Woher wissen Sie, dass Uber-Fahrzeuge nicht in die Mietzentralen zurückkehren?

Holzhauser: Durch Fahrgäste. Wir haben Testfahrten machen lassen.

STANDARD: Uber hätte wohl kein Problem, sich an die Unterscheidung Taxi- und Mietwagen zu halten. Sie wollen aber nicht an den teureren Taxitarif gebunden sein.

Holzhauser: Die Kalkulation des Taxitarifes ist so gewählt, dass davon Taxiunternehmen gerade den Mindestlohn ihrer Angestellten bezahlen können. Nach unten kann man den Tarif im Wesentlichen nur durchbrechen, indem Sie weniger als den Mindestlohn zahlen oder schauen, dass sich der Markt atomisiert und nur mehr lauter Selbstständige Taxi fahren, die dann auch unter dem Mindestlohn verdienen. So kann man die Preise für Taxis senken. Aber wollen wir eine solche Entwicklung in Europa, die in den USA schon stattgefunden hat? Wollen Sie einen Taxilenker, der nur drei Euro in der Stunde verdient? Uber versucht, beim schwächsten Glied in der Kette – dem Fahrer – anzusetzen und ihm einen Teil seines Lohnes zu rauben. So erwirtschaften Sie ihren billigen Fahrtpreis.

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Die Tarifzonen in Österreich breiten sich aus.
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STANDARD: Der Mindestlohn liegt in der Taxibranche wie im Mietwagengewerbe bei 1235 Euro brutto. Taxiunternehmen zahlen also auch wenig, nicht nur Uber. Woher wissen Sie eigentlich, dass Uber sich nicht an Mindestlöhne hält?

Holzhauser: Unter anderem, weil manche Uber-Unternehmer nach einiger Zeit zu uns kommen und den Taxischein nachmachen wollen und uns von ihren Erfahrungen berichten.

STANDARD: Wie viel zahlt ein Taxilenker für die Anbindung an Ihre Funkzentrale?

Holzhauser: Wir haben verschiedene Modelle. Es gibt Taxifahrer, die viele Stammkunden haben und nur gelegentlich Aufträge vermittelt bekommen wollen. Dann gibt es Fahrer, die alle Aufträge über uns nehmen. Wir haben drei Tarifformen: Die erste liegt bei 80 Euro und die letzte endet bei einem Pauschaltarif, der 600 Euro im Monat beträgt. Dafür bekommen Sie 24 Stunden 365 Tage im Jahr Fahrten vermittelt. Bei den niedrigeren Pauschalen ist es auch möglich, jederzeit Aufträge anzunehmen. Dann muss der Fahrer aber zuzüglich zum Grundbetrag für jeden Auftrag etwas an uns zahlen.

STANDARD: Zurück zu Uber. Sie haben gesagt, Taxifahrer werden durchleuchtet. Aber bietet Uber nicht etwas Besseres an: Dort wird jeder Fahrer von den Kunden bewertet. Ich sehe vor jeder Fahrt, wie gut mein Fahrer ist.

Holzhauser: Die Bewertung haben wir inzwischen bei unserer App von Taxi 40100 auch eingeführt. Das ist nett, aber eine Durchleuchtung des Fahrers, einen behördlichen Hintergrundcheck, ersetzt das nicht.

STANDARD: Die Bewertung gibt es jetzt also auch bei Ihnen – heißt das, Sie lernen auch von Uber als Mitbewerber?

Holzhauser: Wer von wem abgeschaut hat, ist nicht immer leicht zu sagen. Ich bin überzeugt, dass Uber von vielen Taxi-Apps gelernt hat. Aber natürlich betrachtet man immer den gesamten Markt und nimmt gute Dinge mit. So wird es bei Taxi 40100 bald die Möglichkeit der Zahlung via App geben. Was wir in unserer nächsten App-Generation ebenfalls einbauen, ist das Shared Taxi: Zwei Fremde können sich dann mit einer gewissen Vorlaufzeit ein Taxi teilen.

Christian Holzhauser hat nach dem Studium sein eigenes Taxiunternehmen gegründet.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Hat Uber nicht auch einen qualitativen Vorteil: Die Fahrer nutzen ein Navi. Das garantiert den schnellsten Weg. Die meisten Taxifahrer tun das nicht.

Holzhauser: Was das Navigationssystem macht, ist, dass es Sie immer auf die Hauptverkehrsnetze zieht, ohne, dass es den kürzesten Weg anzeigt. In London hat eine Studie gezeigt, dass ein Taxi-Fahrer, der gut ausgebildet ist, schneller ans Ziel kommt, als wenn man nur dem Navi folgt. Jetzt können Sie sich als Fahrgast vielleicht wohler fühlen, wenn sie sehen, wie das Taxi fährt. Aber wir überprüfen alle zwei Jahre unsere Taxifahrer mit Testfahrten. Bei unseren Fahrern ist die Ortskenntnis am höchsten und die Fahrer nehmen den kürzesten Weg zum Ziel. Im Beschwerdefall können wir den Weg immer mit GPS nachverfolgen. Für mich ist ein gut ausgebildeter Lenker ein wirkliches Qualitätsmerkmal.

STANDARD: Sind Sie auch selbst einmal Taxi gefahren?

Holzhauser: Ja. Ich bin am Ende meines Studiums eineinhalb Jahre Taxi gefahren. Ich habe damals mein eigenes Taxiunternehmen gegründet. Aus dem Grund ist mir die Branche ein besonderes Anliegen – deshalb nehme ich all das mit Uber nicht einfach so hin.

STANDARD: Macht der Job Spaß?

Holzhauser: Für mich war es zu Beginn sehr stressig. Gerade in der Nacht gibt es wenige Bezugspunkte, Sie müssen sich sehr gut in der Stadt auskennen, weil Sie eigentlich recht wenig sehen. Und bei den Fahrgästen gibt es einen breiten Schnitt: Von Studenten, Anwälten, normale Menschen, die einfach Unterhaltung in der Nacht suchen bis hin zu unschönen Erlebnissen wie Gewaltandrohungen.

STANDARD: Welcher Typ von Mensch wird heute Taxifahrer? Ist das der Arzt aus Angola, der sonst in Österreich keine Chance hat gut unterzukommen?

Holzhauser: Österreicher sind immer noch in der Überzahl bei uns. Es ist ja eine Prüfung vorgeschrieben, Sie müssen deutsch können. Es gibt also Branchen, wo man leichter unterkommt. Generell ist Taxifahren ein Weg der Selbstständigkeit – es zieht Menschen an, die ihre Dienstzeiten selbst festlegen wollen, die vielleicht auch mal mittendrunter einen Kaffee trinken oder Pause machen wollen. So ein gewisses Freiheitsgefühl ist schon dabei. Das ist eher der Typus. Der Verdienst ist es nicht. (31.3.2018)