Spanking mag so manchen erregen. Inder und Asiaten nehmen sich jedenfalls die Freiheit, dem gelassen gegenüberzustehen. In Europa dagegen hängt man zur Osterzeit alten Gewohnheiten nach.

Illustration: Felix Grütsch

Foto: Felix Stormy Grütsch

Donald Trump macht Ernst, auch wenn Europa vorerst ausgenommen bleibt. Mit seiner Entscheidung, Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus China und Europa zu erheben, und mit seiner Drohung, sollte die EU ihrerseits US-Einfuhren mit Strafzöllen belegen, zu eskalieren und ebensolche zu erheben legt er Hand an das System des freien Welthandels. Statt multilateraler Regeln soll es fortan "America first!" heißen. Die Folgen werden in der Realität zu besichtigen sein und auch das transatlantische Bündnis nicht unbeschädigt lassen.

Es waren ja gerade die USA gewesen, die das freie Welthandelssystem nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt und über lange Jahrzehnte hinweg mit großem Erfolg durchgesetzt hatten. Das heutige System des Welthandels kann man daher mit Fug und Recht als ein amerikanisches System bezeichnen, von dem allerdings viele profitiert haben und profitieren. Es geht bei der Entscheidung des Präsidenten daher nicht nur um den Handel, sondern um die Verabschiedung Amerikas von der von ihm selbst errichteten Weltordnung, der Pax Americana, und damit auch von seiner Rolle als Garant dieser Ordnung.

Alle in Europa sind davon betroffen. Kaum ein Land ist mit dieser Ordnung aber mehr verbunden als Deutschland, der amtierende Exportweltmeister. Sein Wiederaufstieg nach 1945 (wie der Japans) war und ist auf das Engste mit dieser Ordnung verbunden. Bricht diese weg oder wird gar aktiv infrage gestellt, geht es um mehr als nur um Handel, sondern um die Fundamente des Wohlstandes dieser beiden Gesellschaften. Die hohe Exportabhängigkeit der deutschen Volkswirtschaft macht Deutschland extrem druckempfindlich bei hochgehenden Handelsbarrieren und Strafzöllen.

Die Ankündigungen des amerikanischen Präsidenten laufen auf nichts Geringeres hinaus als auf die Infragestellung des Geschäftsmodells Deutschlands, wie es sich seit den 1950er-Jahren entwickelt hat, und das ist keine Kleinigkeit für das Land, einen der engsten Bündnispartner der USA in Europa.

Optimisten werden sagen, dass das alles nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Solche radikalen Ankündigungen gehörten nun einmal zu Trumps Verhandlungsstrategie, siehe Nordkorea. Und siehe der jetzt gewährte Aufschub. Freilich: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Pessimisten hingegen werden fragen: Was aber, wenn am Ende das alles ernst gemeint ist und früher oder später so kommen wird?

Man sollte sich keine Illusionen machen. Käme es zu einem veritablen transatlantischen Handelskrieg, gehörte Deutschland (und damit das Zulieferland Österreich, Anm. der Red.) aufgrund der handelspolitischen Abhängigkeiten und der Machtverhältnisse nur zu den Verlierern, trotz der EU und ihres großen Binnenmarktes. Die USA sind eben auch handelspolitisch eine Supermacht.

Dies mag bei dem einen oder anderen EU-Mitglied durchaus zu Anwandlungen von Schadenfreude führen, wegen vermeintlicher oder tatsächlicher deutscher Arroganz. Dies wäre aber sehr kurz gedacht, denn eine Schwächung der deutschen Wirtschaft, der größten innerhalb der EU, würde auch sofort negative Auswirkungen auf die EU und die Eurozone haben, zumal der Brexit und die politischen Dissonanzen innerhalb der EU deren Geschlossenheit und Leistungsfähigkeit kurzfristig keineswegs steigern werden.

Die EU, verantwortlich für Handelsfragen ihrer Mitgliedstaaten, ist handelspolitisch in keiner starken Position. Und Deutschland am allerwenigsten. Es zeigt sich jetzt, wie töricht es von Berlin war, auf die jahrelange Kritik und die vielfältigen Mahnungen von Freunden und Partnern am anhaltend hohen deutschen Außenhandelsüberschuss nicht mit verstärkten Investitionen im Inland zu reagieren.

Zudem: Bei einem ausgewachsenen transatlantischen Handelskrieg getreu der alttestamentarischen Devise "Auge um Auge ..." drohen nur allgemeine Blindheit und Verlierer auf allen Seiten. Er würde eine Rückkehr zur Abschottung und zum Protektionismus nach sich ziehen, mit noch viel schlimmeren Folgen für die Weltwirtschaft nebst einem raschen Zerfall des Westens.

Mit den Zähnen knirschen

Es wird der EU also nichts anderes bleiben, als zu verhandeln und mit den Zähnen zu knirschen.

Eine machtpolitische Konsequenz der Trump'schen Handelsrevolution ist allerdings bereits heute absehbar: Die EU wird dadurch näher in Richtung China geschoben, was weder im Interesse der Europäer noch der USA liegt.

Das Ausgreifen Chinas in Richtung Europa mit seiner strategischen Initiative der neuen Seidenstraße wird die Europäer verstärkt vor die neue Alternative zwischen Eurasien (Ostorientierung) und Transatlantismus (Westorientierung) stellen. Das auszubalancieren wird für Europa in Zukunft nicht einfach werden. Dabei geht es nicht mehr an erster Stelle um Russland, sondern um die neue Weltmacht China.

Eine Zerstörung oder auch nur Störung der transatlantischen Handelsbeziehungen kann deshalb nicht im Interesse der transatlantischen Partner sein und nur auf eine Schwächung des Westens insgesamt hinauslaufen.

In Peking schweigt man bisher und genießt und wundert sich bisweilen noch etwas darüber, dass die Regierung Trump, die mit dem Versprechen "Make America Great Again" angetreten war, offensichtlich fast vom ersten Tag an America mit China zu verwechseln schien, nach der Devise "Make China Great Again!". Aber kann man China kritisieren, wenn es unverhofft Manna regnet?

Freilich wird sich die Situation auch für Peking mit dem Beginn eines Handelskrieges mit den USA radikal ändern. Die Welt wird dadurch sehr viel instabiler werden und die ostasiatischen Regionalkonflikte sehr viel gefährlicher, weil aufgeladen mit einem Konflikt zwischen aufsteigender und absteigender Weltmacht.

Europa andererseits wird erleben müssen, wie schwach es tatsächlich ist in einer Welt, in der sich sein wichtigster Verbündeter und seine bisherige Schutzmacht nicht nur in der Handelspolitik von einem regelbasierten Multilateralismus zugunsten eines machtpolitischen Nationalismus verabschiedet. (Joschka Fischer, Copyright: Project Syndicate, 30.3.2018)