Fergus Bell, Spezialist im Bereich der digitalen Nachrichtenbeschaffung und -verifizierung von User Generated Content, kommt wieder zum Internationalen Journalismufestival in Perugia ab kommenden Mittwoch.

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Perugia/Wien – Fergus Bell ist Spezialist im Bereich der digitalen Nachrichtenbeschaffung und -verifizierung von User Generated Content (Medieninhalte, die nicht von professionellen Journalisten erstellt werden, Anm.). Der Brite beschäftigt sich mit der Verbesserung des Workflows in Redaktionen und spricht beim Internationalen Journalismus Festival in Perugia über "Newsroom Unite": Ein Projekt, das sich mit der globalen Problematik von Fehlinformation in Medienorganisationen befasst.

STANDARD: Sie beschäftigen sich viel mit User Generated Content. Wenn Inhalte vermehrt von Nutzern kommen, kann das wieder zu größerem Vertrauen in die Medien führen?

Bell: Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, wenn man mit User Generated Content arbeitet, bekommt man Einblicke in Ereignisse, die auch von Nicht-Journalisten besucht werden. Es ist nötig, dieses Material zu verifizieren. Wenn man das tun kann, hat man seine Augen auch an Plätzen, an welchen man selber nicht sein kann. Ich bin nicht sicher, ob es unbedingt zu mehr Vertrauen in die Medien führt. Aber es kann zu einer breiteren Berichterstattung führen.

STANDARD: Gibt es auch Risiken, wenn man auf User Generated Content setzt?

Bell: Zurzeit bestehen die Risiken darin, dass es Individuen gibt, die die Medien dazu bringen wollen, über Dinge zu berichten, die gar nicht passiert sind. Als Journalist muss man sich sehr sicher sein, dass man einen Verifikations-Prozess hat, der dem standhält. Das Risiko ist, wenn man etwas Falsches schreibt, dass das Vertrauen in die Medien schwindet. Es gibt keine Entschuldigung, wenn man die Inhalte nicht überprüft.

STANDARD: Wie können selbst Politiker wie Donald Trump falsche Informationen verbreiten und damit erfolgreich sein?

Bell: Es gibt ja viele Menschen, die sagen würden, dass er die Wahrheit erzählt. Social Media erlaubt, dass viele verschiedene Stimmen an die Öffentlichkeit gelangen. Aber man wird heute mehr Inhalten ausgesetzt, die die eigene Meinung bekräftigen. Also, wenn man ein Trump-Unterstützer ist, wird man leichter auf Inhalte stoßen, die diese Meinungen und Überzeugungen unterstützen. Wenn man gegen Trump ist, wird man eher auf Material stoßen, das gegen das ist, was er sagt. Wenn es um das Verbreiten von Informationen über Social Media geht, dann wissen wir, dass Donald Trumps Statements schon öfters Faktenchecks nicht bestanden haben. Aber es gibt heute viele Menschen die Faktenchecks machen. Menschen haben immer schon Informationen gedreht und ihnen ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Es gibt also keine einheitliche Definition davon, was Fake ist und was nicht.

STANDARD: Wie sollen Journalisten mit solchen Entwicklungen umgehen?

Bell: Ich denke, dass der Twitter-Account des Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht das Wichtigste ist, wenn es um falsche Informationen und den Vertrauensverlust der Medien geht. Wenn wir uns die sogenannten Fake News ansehen, dann gibt es vier Dinge, die Journalisten und die Medienunternehmen tun können. Erstens müssen Journalisten sichergehen, dass sie Zugang zu Verifizierungs-Prozessen haben. Zweitens müssen sie die Art und Weise ändern, wie sie über Geschichten reden und über diese Geschichten berichten. Also auch die Arbeit hinter dem, was sie tun, zeigen und erklären, warum man dem vertrauen kann. Ein gutes Beispiel ist "The Trust Project", das sich für mehr Transparenz in der Arbeit von Journalisten auf der ganzen Welt einsetzt. Drittens muss mehr mit den Plattformen und Technologie-Unternehmen zusammengearbeitet werden, um die Algorithmen und welchen Einfluss sie auf Menschen haben, zu verstehen. Außerdem muss mehr Nachrichten-Kompetenz vermittelt werden. Menschen müssen lernen, was es bedeutet Nachrichten von verschiedenen Quellen zu konsumieren und wie die Informationen, die sie bekommen, überhaupt zu ihnen gelangen. Sie müssen verstehen, dass dahinter ein Algorithmus steckt.

STANDARD: Wie schätzen sie die Rolle von falschen Informationen beim Brexit-Votum ein?

Bell: Ich bin zwar kein Experte darin, aber ich glaube, es ist ein Missverständnis, dass die Medien alleine daran schuld sind. Es gibt viel Forschung dazu, die auch zeigt, dass eine Person, die etwas auf Social Media teilt, die Meinung ihrer Follower mehr formt, als ein Artikel eines Mediums, da kann er noch so wahr sein. Es hat also mehr damit zu tun, wie etwas erscheint und wie oft es geteilt wird.

STANDARD: Falls Fehlinformationen verbreitet wurden, was hätten Journalisten besser machen können?

Bell: Ich denke, es gibt Kampagnen aus allen Richtungen und die Menschen versuchen ihre eigene Meinung zu verbreiten. Es liegt aber bei den Journalisten, als Vermittler aufzutreten. Die Medien befinden sich zwischen den Meinungen. Sie müssen die Fakten überprüfen, die Wahrheit ans Licht bringen und darüber berichten. Es sollte keine fundamentale Änderung der journalistischen Herangehensweise geben, ohne vorher besser erforscht zu haben, wie Menschen Medien konsumieren und wie sie in Medien vertrauen.

STANDARD: Sie sprechen beim Internationalen Journalismus Festival in Perugia über "Newsroom Unite". Können Sie uns erzählen wie das Konzept von "Newsroom Unite" aussieht?

Bell: Leider nein (lacht). Ich kann im Moment nichts darüber sagen, erst beim Festival in Perugia.

STANDARD: Machen Sie es nicht so spannend.

Bell: Ich meine, ich kann schon ein bisschen darüber sprechen (lacht). Es gab viele Untersuchungen zu den Themen Fehlinformation und Wahrheit in den Medien und Vertrauen in die Medien. Das Thema wurde zwangsläufig nicht global in Angriff genommen. Wir wissen aber, dass Fehlinformation im Moment ein Problem in den meisten Medienmärkten ist, es findet sich weltweit wieder. Diese Probleme müssen von den Redaktionen erkannt werden, so kann man voneinander lernen und ich glaube, dass wir zu einem besseren Verständnis der Problematik gelangen.

STANDARD: Wie ist das realisierbar?

Bell: Ich kann nicht mehr darüber erzählen, aber ich kann Ihnen empfehlen, den Vortrag in Perugia anzuschauen.

STANDARD: Das werden wir. Noch eine letzte Frage: Was denken Sie, wo hinkt der österreichische Journalismus hinterher?

Bell: Ich fürchte, ich habe zu wenig Einblick in die österreichische Medienlandschaft, um das beurteilen zu können. Ein generelles Thema ist jedoch die Verbesserung der Verifizierungs-Prozesse. Dann wirklich über Standards in Medienorganisationen nachzudenken. Diese müssen möglichst streng sein und verständlich für alle Journalisten innerhalb einer Organisationen. Sehr wichtig ist die Entwicklung von Faktenchecks in den Medienredaktionen. Es kann nicht nur eine Organisation in einem Land geben, die die Richtigkeit von allen Fakten überprüft. Das sollte etwas sein, dass es in jeder Redaktion gibt. Ich finde, dass jeder mehr Ressourcen und Zeit in die Faktenchecks und Verifizierung investieren muss. (Konstantin Auer, Alexandra Dornauer, 8.4.2018)