In seinem oft zitierten Brief an Bischof Mandell Creighton vom 3. April 1887 schrieb der berühmte britische Historiker Lord Acton die auch heute höchst aktuelle Mahnung: "Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut."

Der zur Präsidentenwahl nicht zugelassene russische Oppositionskandidat Alexej Nawalny hat bekanntlich in einer Serie von Blogs und Videos die Korruptionsskandale in der Führungsschicht Russlands entlarvt und angeprangert. Im Zusammenhang mit der Verschärfung der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland infolge des Giftanschlags auf einen russischen Doppelspion in Großbritannien fordert nun der schwedische Spitzenökonom und Ostexperte Anders Åslund ("Washington Post", 29. März) das Einfrieren der auf 800 Milliarden bis 1,3 Billionen Dollar geschätzten russischen Schwarzgelddepotbestände im Westen. Vor allem sollte man die großangelegten anonymen Investitionen in Immobilien in den USA und Großbritannien nicht mehr zulassen. Diesbezügliche Gesetze werden im US-Kongress derzeit vorbereitet.

Nicht nur in Russland, sondern auch in Erdogans Türkei, in Alijews Aserbaidschan und Orbáns Ungarn weisen Berichte internationaler Forschungsinstitute und unabhängiger Medien auf die Herausbildung der Kleptokratie hin. Als Kleptokratie wird "im engeren Sinn eine Herrschaftsform bezeichnet, bei der die Herrschenden willkürliche Verfügungsgewalt über Besitz und Einkünfte der Beherrschten haben und entweder sich oder ihre Klientel auf Kosten der Beherrschten bereichern". Es besteht allerdings ein gravierender Unterschied etwa zwischen Russland und den vier sogenannten Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn), die als EU Mitglieder seit 2007 Transfers aus Brüssel in der Höhe von 150 Milliarden Euro erhalten.

Die EU-Mittel tragen zur Modernisierung der Infrastruktur der postkommunistischen Reformstaaten bei. Dass sie aber zugleich wegen der fehlenden Kontrolle der Korruption auch einen gewaltigen Auftrieb verleihen, zeigte kürzlich ein ausgezeichnet recherchierter Bericht der "Frankfurter Allgemeinen" über die unfassbaren Machenschaften der Führung der ungarischen Nationalbank mit enormen Summen, die von dubiosen Stiftungen nach Gutdünken investiert und ausgegeben werden. Ungarn gehört zu den größten Nettoempfängern. EU-Mittel machen in Ungarn von 2014 bis 2020 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Der von der CDU-Abgeordneten Inge Gräßle geleitete EU-Haushaltskontrollausschuss stellte im Herbst "fehlende Transparenz bei öffentlichen Ausgaben" und eine große Gefahr von Korruption in Ungarn fest.

In der Kampagne zu den Parlamentswahlen am Sonntag sind fast täglich Korruptionsfälle aus dem Dunstkreis des seit acht Jahren regierenden Ministerpräsidenten und Fidesz-Chefs Viktor Orbán publik geworden. "Fidesz ist heute die Mafia", sagt der bürgerliche und von allen Oppositionsgruppen unterstützte Überraschungssieger der Bürgermeisterwahl in der südostungarischen Stadt Hódmezővásárhely, Péter Márki-Zay. Trotz wachsender Verdrossenheit wegen der Vetternwirtschaft dürfte aber "das Wunder von Hódmezővásárhely" am Sonntag kaum wiederholt werden. (Paul Lendvai, 2.4.2018)