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Gentechniklabor in Winnipeg, Kanada: Forscher entwickeln hier für den Monsanto-Konzern schädlingsresistente Rapspflanzen.

Foto: Reuters / Shannon Vanraes

Gegen den Zusammenschluss sprechen gewichtige Gründe. Zum einen ist Monsanto, der "kleinere" Fusionspartner, schon heute zu mächtig. EU-weit sind rund zwei Drittel der Bevölkerung gegen die weitere Zulassung von Glyphosat – nicht zuletzt angesichts des dramatischen Rückgangs bei Bienen, Schmetterlingen und Singvögeln. Die EU-Kommission verlängerte die Zulassung, größter Profiteur der Entscheidung ist Monsanto. Noch drastischer: In den USA wünschen 90 Prozent der Bevölkerung die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Dennoch gibt es bis heute keine Transparenz. Wenn ein einzelner Konzern mächtiger ist als 90 Prozent der Bevölkerung, muss er verkleinert werden, nicht vergrößert.

Das Beruhigungspflaster der EU-Kommissarin, dass Auflagen im Ausmaß von sechs Milliarden Euro durchgesetzt wurden, lässt eher Besorgnis aufkommen: BASF, der die Filets zugeschoben werden, ist schon heute größer als Bayer und Monsanto zusammen.

Welche Vorstellung von Wettbewerb und Wirtschaftsfreiheit kultiviert die EU? Das liberale Kernprinzip besagt, dass niemandes Freiheit zu groß werden darf, damit die gleiche Freiheit aller erhalten werden kann. Dennoch haben die Parlamente der WTO-Mitgliedstaaten 60 multilaterale Abkommen ratifiziert, von denen keines eine Fusionskontrolle vorsieht. Dabei wäre eine globale Antikartellbehörde ein Grundstein des Weltmarktes. Walter Eucken, Ordoliberaler der Freiburger Schule, hat gemeint, es seien "nicht die sogenannten Missbräuche wirtschaftlicher Macht zu bekämpfen, sondern wirtschaftliche Macht selbst". Die liberalen Stimmen sind heute vollständig verstummt, und "neoliberal" hat mit Freiheit wenig zu tun.

Ein Blick (der Süddeutschen) auf die Eigentümer der Elefanten erhellt die Motivlage: Blackrock ist der größte Aktionär bei Bayer und mit 5,75 Prozent die Nummer zwei bei Monsanto. Vanguard ist der größte Aktionär bei Monsanto und die Nummer vier bei Bayer. Die Capital Group steht bei beiden an dritter Stelle.

Profitabler Pakt

Leicht zugespitzt, verkaufen also drei Finanzinvestoren Monsanto an sich selbst. Das Bild wird noch bedenklicher, wenn man einbezieht, dass Bayer (Umsatz: 35 Milliarden Euro) für die Übernahme von Monsanto (15 Milliarden USD) einen Kredit von 57 Milliarden US-Dollar aufnimmt. Dieser wird von den Investmentbanken Bank of America, Merill Lynch, Credit Suisse, Goldman Sachs, HSBC und JP Morgan "organisiert" und an 20 Kommerzbanken weitergereicht, zu Anteilen von 4,5 oder 1,1 Milliarden US-Dollar. Die profitierenden Banken blieben so geheim wie die Konditionen.

In diesem Pakt geht es keinem der Beteiligten um gesunde Lebensmittel, intakte Agrarökosysteme, Artenvielfalt oder das globale Gemeinwohl, sondern primär um Profit. Laut Aristoteles ist das gar keine "Ökonomie", sondern ihr Gegenteil: "Chrematistik" oder Kapitalismus. In einer echten "oikonomia" wäre Geld nur ein Mittel zur Mehrung des Gemeinwohls. Eine "ökonomische" Fusionskontrolle müsste somit evaluieren, wie sich so ein Zusammenschluss auf die Artenvielfalt, das Weltklima, sinnvolle Arbeitsplätze, die Verteilung oder die Demokratie auswirkt. Kann der Mehrwert für das Gemeinwohl nicht dargestellt werden, ist die Fusion nicht genehmigungsfähig. Dass solche Schlüsselfragen gar nicht gestellt werden, zeigt, wie dysfunktional und "unökonomisch" die aktuelle Wirtschaftsordnung geworden ist. Konsequenterweise wird sie von über 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und Österreich abgelehnt (Umfragen der Bertelsmann-Stiftung).

Neben einer globalen Fusionskontrolle und einer Größengrenze für Weltmarktunternehmen bräuchte es einen globalen Gerichtshof zum Schutz der Menschen-, Arbeits-, und Umweltrechte. Ein dazu laufender Prozess in der Uno wird von der österreichischen und der deutschen Bundesregierung blockiert.

Stattdessen erhielt die EU-Kommission Anfang März das Verhandlungsmandat zur Errichtung eines Multilateralen Investitionsgerichts (MIC). Vor diesem könnten ausschließlich Konzerne klagen. Wenn die Global Player Menschen- oder Arbeitsrechte verletzen, die Umwelt zerstören, das Klima destabilisieren oder die Demokratie untergraben, gibt es kein globales Gericht, das von Geschädigten angerufen werden könnte.

Größere Pflichten

Während die Rechte natürlicher Personen ausgeweitet werden sollten, bedarf es größerer Pflichten bei juristischen Personen. Eine der überfälligen Pflichten ist eine verbindliche Gemeinwohlbilanz für alle Global Player, deren Ergebnis über freieren oder unfreieren Handel entscheidet. Das deutsche Grundgesetz besagt, dass "Eigentum verpflichtet" und sein Gebrauch dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll". Der verfassungsjuristische Elfmeter für eine gesetzliche Gemeinwohlbilanz ist aufgelegt. An einer Universität kam jüngst ein Vorschlag: Analog zu progressiven Eigenkapitalvorschriften bei Banken könnten mit wachsender Größe von allen Unternehmen höhere ethische Leistungen gefordert werden.

Diese Verknüpfung könnte in Zukunft auch bei der Evaluierung von Fusionen angewandt werden, um wirtschaftliche Freiheit und gesellschaftliche wie ökologische Verantwortung stärker aneinanderzukoppeln. (Christian Felber, 3.4.2018)