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Winnie Mandela – hier Ende 2017 – blieb auch nach ihrer Trennung von Expräsident Nelson Mandela dem ANC treu.

Foto: REUTERS/Siphiwe Sibeko

Als Willy Brandt einst in einer Talkshow die Frage beantworten sollte, welche Person er am meisten bewundere, kam es wie aus der Pistole geschossen: Winnie Mandela. Das mag aus heutiger Sicht merkwürdig klingen, denn die Exfrau des südafrikanischen Befreiungshelden Nelson Mandela war in den vergangenen Jahren in der Versenkung verschwunden – zutiefst kompromittiert und von der Welt vergessen. Am Montagnachmittag starb Winnifred Madikizela-Mandela überraschend in ihrer Villa in Soweto: Sie sei nach langer Krankheit im Kreis ihrer Familie "friedlich entschlafen", teilte ein Sprecher der Familie mit. Dass die 81-Jährige sterbenskrank war, hatte sich nicht einmal in Südafrika herumgesprochen: Ihr bis zuletzt jugendliches Aussehen täuschte über ihren tatsächlichen Zustand offensichtlich hinweg.

Viele südafrikanische Jugendliche sind sich der einstigen Bedeutung der Jeanne d'Arc der schwarzen Townships heute kaum noch bewusst, obwohl Winnie Mandela – neben Erzbischof Desmond Tutu – in den 1980er-Jahren die zweifellos wichtigste und bekannteste Persönlichkeit des Antiapartheidkampfes war. Der erste schwarzen Sozialarbeiterin des Landes war es vor allem zu verdanken, dass ihr inhaftierter Ehemann Nelson Mandela nicht im Kerker auf der Gefängnisinsel Robben Island in Vergessenheit geriet: Mit ihrem kämpferischen Elan und ihrem unermüdlichen Auftreten hielt sie die Welt in Atem. Für die Apartheidherrscher war sie die Feindin Nummer eins: Mehrmals wurde sie inhaftiert und in Verbannung geschickt, mehrere Jahre lang musste sie von der Öffentlichkeit abgeschottet in dem Kuhnest Brandfort in der Freistaatprovinz darben.

Umstrittene ANC-Praxis

Ihre Verfolgung sorgte allerdings nur dafür, dass Winnie immer radikaler wurde. Berühmt wurde ihr Zitat: "Mit unseren Streichhölzern werden wir das Land befreien", das auf die umstrittene Praxis dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) nahestehenden Jugendlichen anspielte, vermeintliche Verräter des Befreiungskampfes mit Benzin getränkte Autoreifen um den Hals zu stülpen und anzuzünden. Die Opfer starben unter unsäglichen Qualen. Zum ersten Mal erhielt das Ansehen der leidenschaftlichen Kämpferin einen dunklen Flecken – es sollte nicht der einzige bleiben.

Ende der 1980er-Jahre legte sich Winnie Mandela einen Schutztrupp, den Mandela United Football Club, zu: Er sollte sie angeblich vor Übergriffen der Apartheidpolizei bewahren. In Wirklichkeit übte die Gang jedoch eine Terrorherrschaft in Soweto aus: Wer sich kritisch gegenüber der "Mama Südafrika" äußerte, musste mit schlimmen Folgen rechnen. Die Gangmitglieder brachten den 14-jährigen Stompie Seipei um – wofür Winnie Anfang der 90er-Jahre zu sechs Jahren Haft wegen Entführung verdonnert wurde. Das Urteil wurde später in eine Geldstrafe umgewandelt.

Scheidung 1996

Die traurigste Zeit der Heldin sollte allerdings nach der Freilassung ihres 27 Jahre lang eingesperrten Ehemanns folgen. Schnell stellte sich heraus, dass sich das einstige Traumpaar auseinandergelebt hatte: "Ich habe mich noch nie so einsam wie hier gefühlt", sagte Nelson später von der gemeinsamen kurzen Zeit in der Familienvilla in Soweto – bevor er auszog und sich 1996 scheiden ließ. Eine 38 Jahre lange Liebe, die in zahlreichen Befreiungsliedern besungen wurde, war ruiniert – wozu zweifellos die Verfolgung seitens des Rassistenregimes aber auch der weltweite Ruhm der Befreiungskämpferin beitrug, mit dem sie offensichtlich überfordert war.

Winnie diente im ersten Kabinett ihres Ex-Ehemanns noch als Vizekulturministerin, strauchelte jedoch auch dort über einen Korruptionsskandal. Nach und nach zog sie sich aus der Politik zurück: Als Parlamentarierin des ANC tauchte sie nur noch gelegentlich im Parlament auf. Wenn überhaupt, machte sie als selbsternanntes Sprachrohr der ärmsten Südafrikaner auf sich aufmerksam – zum Leidwesen ihrer Partei, die sie zunehmend als "loose canon", als Querschießerin, beargwöhnte. Zuletzt sorgte Winnie Mandela nach dem Tod ihres Exmannes noch für Schlagzeilen, als sie entgegen der testamentarischen Verfügung Nelson Mandelas dessen Villa in der Transkei für sich in Anspruch nahm. Der schwarzen Jean d'Arc muss zweifellos ein Platz im Olymp der südafrikanischen Befreiungshelden eingeräumt werden – anders als der ihres Exmannes liegt dieser Platz jedoch zur Hälfte im Schatten. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 2.4.2018)