Als US-Präsident Donald Trump im Dezember Jerusalem, dessen Ostteil die Palästinenser als Hauptstadt beanspruchen, als Hauptstadt Israels anerkannte, blieb der ganz große Aufruhr in der arabischen und muslimischen Welt aus: Die Entscheidung war von großer symbolischer und emotionaler Bedeutung, gleichzeitig hatte sie keine sofortigen Auswirkungen. Was man nicht hat, kann man auch nicht verlieren. Für Israel war die relative Ruhe eine Bestätigung: Der israelisch-palästinensische Konflikt ist nicht mehr von globaler, ja kaum mehr von regionaler Bedeutung. Die Araber haben andere Sorgen.

Daran hat sich auch nach dem blutigen Wochenende an der Grenze zwischen Gazastreifen und Israel nichts geändert. Die Hamas, der die Massendemonstrationen zugeschrieben werden, ist in der arabischen Welt heute isolierter als Israel. Den Muslimbrüdern, zu denen die Hamas gehört, werden alle Übel der Region angelastet – in der Hoffnung, die eigenen vergessen zu machen: Saudi-Arabiens jahrzehntelanger Salafismusexport oder die autoritären und korrupten Regime allüberall, die dazu beigetragen haben, dass Opposition eine islamische Angelegenheit wurde.

Wie im Dezember versucht besonders Saudi-Arabien auch diesmal die Reaktionen zu kontrollieren: Iran und Katar haben Israel medial als Feindbild abgelöst. Wenig überraschend positioniert sich der türkische Präsident Tayyip Erdoğan wieder klar als Verteidiger der Palästinenser. Alles, was er dabei von Israel fordert, gilt natürlich nicht für ihn selbst, wenn es um Kurden geht.

Aber das ändert nichts daran, dass das Problem real ist: die verzweifelte Lage im Gazastreifen und, allgemein, die Zukunft der Palästinenser. 2018 werden entscheidende Weichen im Nahen Osten gestellt. Die USA und Saudi-Arabien scheinen sich damit abzufinden, dass in Syrien das Assad-Regime an der Macht bleibt – und werden sich umso mehr auf Teheran konzentrieren. Trumps Vision sieht aber nicht nur einen eingedämmten Iran, sondern auch einen israelisch-palästinensischen Frieden vor, quasi als Nebenprodukt einer israelisch-arabischen Front gegen den Iran.

Wie realistisch das immer ist: Ein neuer Gaza-Krieg oder eine neue Intifada würden völlig neue Dynamiken schaffen. Sie wären für die Palästinenser eine Katastrophe – und für Israel ein schreckliches Geschenk zum 70. Gründungsjubiläum. Es wird Zeit, dass die Palästinenser wieder auf die internationale Tagesordnung gesetzt werden. (Gudrun Harrer, 2.4.2018)