2013 erklärte der Cranach-Experte Dieter Koepplin diese Cranach-Venus für echt. Für 7 Mio. Euro wanderte es in die Sammlung des Fürsten von Liechtenstein. Nach der Beschlagnahme im März 2016 revidierte Koepplin seine Meinung und zweifelt nun an der Authentizität.

Foto: liechtenstein – the princely collections, vaduz-vienna

Wenn es um Ausstellungen geht, gehören Leihgaben seit jeher zum Museumsalltag. In der Regel bedienen sich Kuratoren dabei an Beständen anderer Institutionen. Immer wieder kommen aber auch Kunstwerke aus Privatbesitz ins Spiel. Weil sie perfekt in das Ausstellungskonzept passen, inhaltliche Lücken schließen oder soeben erst von der Forschung entdeckt wurden.

Wird dieses Bild in der Innsbrucker Cranach-Ausstellung gezeigt, um es hernach teurer zu verkaufen? (Lucas Cranach d. Ä. oder Werkstatt: "Hieronymus in der Einöde", wohl vor 1512 entstanden, 50 x 40 cm, Malerei auf Nadelholz, Privatbesitz)
Foto: drehmomente.de/Nuernberg

Wie im Falle eines Gemäldes, das derzeit im Ferdinandeum (Innsbruck) im Rahmen der Schau Cranach natürlich – Hieronymus in der Wildnis zu sehen ist: Hieronymus in der Einöde ist das Werk betitelt, das die Forschung bislang nur von einem alten Katalogeintrag kannte und zuletzt in einer süddeutschen Privatsammlung beheimatet war, bis es im Juli 2016 in einem Auktionshaus in Bamberg zur Versteigerung gelangte.

Im Vorfeld hatte man Michael Hofbauer um seine Einschätzung ersucht. Der Kunsthistoriker aus Heidelberg forscht seit Jahren zu Werken aus dem Umfeld von Lucas Cranach dem Älteren und dessen Sohn Lucas Cranach dem Jüngeren. Die Familie unterhielt eine Werkstatt, aus deren Umfeld in etwas mehr als acht Jahrzehnten geschätzt bis zu 5000 Gemälde hervorgegangen sein sollen.

Leihgeber profitiert

Hofbauer stufte den Hieronymus als "Arbeit aus der Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren" ein und datierte ihn vor 1512. Der Rufpreis belief sich auf 90.000 Euro, der endgültige Kaufpreis auf 471.200 Euro. Kaum ersteigert, verlieh es der neue Besitzer an die Prager Nationalgalerie, wo ein Monat zuvor eine Cranach-Schau angelaufen war. Nun dürfen es die Besucher des Ferdinandeums bewundern. Auf Wunsch der beiden Kuratoren, die sich um diese Leihgabe bemühten: ein Gastspiel, von dem der Leihgeber profitiert.

Denn mit der Ausstellung wird einerseits der ultimative wissenschaftliche Segen erteilt. Und andererseits erhöhen sich sowohl die Bekanntheit als auch der Marktwert des Bildes. Damit fungieren Museen (ob gewollt oder ungewollt, bleibt dahingestellt) als Durchlauferhitzer für den Kunstmarkt. Eine Vermarktungsstrategie, die immer öfter von offiziell als "Privatbesitzer" deklarierten Investoren genutzt wird. Etwa im Segment Alter Meister, das kunsthistorisch solche Werke umfasst, die vor 1770 entstanden.

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450,3 Millionen: Aber ist es ein echter da Vinci?
Foto: Reuters

Das mit Abstand bekannteste Beispiel ist Leonardo da Vincis Salvator Mundi. Die Kurzfassung: Seit 1900 war das Christusporträt von der Fachwelt als Arbeit eines Leonardo-Schülers verkannt worden. Auch noch 2005, als es ein Kunsthändler für 10.000 Dollar bei einer Nachlassauktion in Louisiana ergatterte. Zahlreiche Gutachten, naturwissenschaftliche Analysen, eine Restaurierung und ein Auftritt in der National Gallery (2012) später hatte sich der Wert in astronomische Höhen geschraubt. 450,3 Millionen Dollar ließ sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman das Bild im November 2017 kosten.

Absurd, monierten viele. Darunter auch Kunsthistoriker, die einen höheren Anteil seiner Werkstattmitarbeiter wähnen. Unerheblich. Denn künftige Präsentationen – so sich Institutionen die Versicherungsprämie leisten können – werden unter da Vinci laufen. Das ist der Preis, den Kuratoren für diese Leihgabe bezahlen müssen.

Urteile schaffen oder vernichten Werte

Vom Künstler gemalt oder doch von seinen Gehilfen? Diese Frage spielt auch bei Cranach eine Rolle. Für international gültige Expertenantworten sind der Kunsthistoriker Dieter Koepplin und Gunnar Heydenreich von der Uni Köln zuständig. Ihre Urteile schaffen oder vernichten Werte.

Johann Kräftner, Chefkurator des Fürsten von Liechtenstein, weiß das aus leidvoller Erfahrung. 2013 erwarb man für sieben Millionen Euro eine Venusdarstellung. Koepplin hatte aufgrund der Qualität in seinem Gutachten sogar "eine Kopie, Imitation oder dergleichen" ausgeschlossen. Mittlerweile hat er seine Meinung geändert. Im März 2016 wurde das Bild in einer Ausstellung in Aix-en-Provence beschlagnahmt. Aufgrund einer anonymen Anzeige bestanden Zweifel an der Echtheit des Gemäldes. Geldwäsche, so der Verdacht der französischen Staatsanwältin. Seither sitzt das Gemälde im Louvre fest.

Der Hieronymus wurde bislang weder von Koepplin noch von Heydenreich begutachtet. Für das Ferdinandeum ist das irrelevant, für den Leihgeber indes sehr wohl. STANDARD-Recherchen zufolge dürfte jetzt die Gunst der Stunde genutzt werden, um das Gemälde lukrativ zu verkaufen. Laut Kräftner sei es ihm in den vergangenen Wochen mehrfach angeboten worden. Er habe abgelehnt, der Kaufpreis wäre in einer Größenordnung von 2,5 Millionen Euro gelegen. Ob auch die Nationalgalerie in Prag Interesse hat? Die Anfrage blieb unbeantwortet. (Olga Kronsteiner, 4.4.2018)