Am Scheitel trug dieser Waran zwei lichtempfindliche Stellen – zusätzliche Augen.
Foto: Foto: A. Lachmann / Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung / Digimorph.org

Frankfurt – Auch wenn der Begriff "Drittes Auge" etwas von der Esoterik vereinnahmt worden ist, gab und gibt es so etwas tatsächlich – und zwar in Form des Parietalorgans oder Scheitelauges. "Ein Scheitelauge war bei den Wirbeltieren des Paläozoikums vor über 250 Millionen Jahren regulär ausgebildet", sagt Krister Smith vom Senckenberg-Forschungsinstitut in Frankfurt.

Bisheriger Stand

Bei den meisten Entwicklungslinien der Landwirbeltiere hat sich das Parietalorgan zurückgebildet. Man findet es vor allem noch bei verschiedenen Eidechsen und den Brückenechsen, in rudimentärer Form auch bei Fröschen oder Salamandern. Es sitzt zentral auf dem Scheitelbein an der Oberseite des Kopfes und kann, sofern noch stark genug ausgeprägt, Helligkeitsunterschiede wahrnehmen – etwa eine Verdunkelung durch einen von oben herabstoßenden Raubvogel.

Forscher gingen bisher davon aus, dass dieses dritte Auge ursprünglich nur eines von insgesamt vieren gewesen sein könnte. Aus dem zweiten Augenpaar sei aber nur eines in annähernd der alten Funktion erhalten geblieben und in die Mitte gewandert. Das andere habe seine alte Funktion verloren und sich in die Zirbeldrüse umgewandelt.

"Die Geschichte des Scheitelauges schien bisher ziemlich einfach zu sein: Wir sind davon ausgegangen, dass sich dieses Organ im Laufe der Evolution bei allen höheren Wirbeltieren außer den Eidechsen zurückgebildet hat," sagt Smith. Offenbar war der Prozess aber nicht so gleichförmig wie gedacht, wie ein nun untersuchtes Fossil zeigt, das immerhin aus der Erdneuzeit stammt.

Neue Erkenntnisse und Vermutungen

Der etwa 1,30 Meter lange Waran Saniwa ensidens aus Nordamerika lebte vor etwa 49 Millionen Jahren. Am Kopf des Fossils konnten außer den herkömmlichen Augen die beiden zusätzlichen Sinnesorgane in einer Mittellinienposition hintereinander auf der Schädeldecke identifiziert werden. Die Position beider Augen widerspricht dem klassischen, paarigen Modell der Zirbeldrüse. Bei diesem Tier scheint aus der Zirbeldrüse wieder ein Auge geworden zu sein.

"Wir gehen daher davon aus, dass das übliche 'Dritte Auge’ der Eidechsen nichts mit der Zirbeldrüse zu tun hat. Die Zirbeldrüse, aus der sich das vierte Auge entwickelte, ist zwar noch bei Eidechsen vorhanden, befindet sich aber innerhalb des Schädels, wie bei Säugetieren", erläutert Smith. In ihrer Studie sprechen die Forscher daher auch von einer "Re-Evolution": Einem Auftreten bereits verschwundener Merkmale nach sehr langer Zeit. "Ein vergleichbarer Vorgang wäre es beispielsweise, wenn unsere heutigen Vögel wieder Zähne bekämen", sagt Smith. (red, 4. 4. 2018)