Ermittler sicherten Spuren des Nervengifts Nowitschok auf der Parkbank, auf der der ehemalige Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia bewusstlos in Salisbury gefunden worden waren.

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London – Das Forschungszentrum des britischen Verteidigungsministeriums hat nach eigenen Angaben keine Beweise dafür gefunden, dass das bei dem Anschlag auf einen russischen Ex-Doppelagenten verwendete Nervengift in Russland hergestellt wurde. "Wir haben seinen genauen Ursprung nicht identifiziert", sagte der Leiter des Labors, Gary Aitkenhead, am Dienstag dem Sender Sky News.

Die Wissenschaftler hätten aber festgestellt, dass es sich um das Präparat Nowitschok gehandelt habe, ein zur militärischen Verwendung gedachtes Nervengift, das vom sowjetischen Militär in den 1970er und 1980er Jahren entwickelt wurde. Aitkenhead betonte, Nowitschok sei nur sehr schwer herzustellen. "Dazu hat nur ein staatlicher Akteur die Fähigkeiten."

Zusätzliche Informationen von Geheimdiensten

Sein Labor arbeite weiter daran, zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um die Herkunft genauer bestimmen zu können. "Aber bis jetzt waren wir dazu nicht in der Lage." Die Wissenschaftler hätten ihre Informationen an die Regierung weitergegeben, die dann "unter Verwendung anderer Quellen die Schlussfolgerungen zusammensetzte, zu denen man gelangte". Einige davon stammen von den Geheimdiensten.

Zudem sei bekannt, dass Russland in den vergangenen Jahren untersucht habe, wie sich Nervengift vermutlich für Attentate verwenden lasse. "Und als Teil dieses Programms wurden kleine Nowitschok-Mengen hergestellt und gelagert." Auch wisse man von Attentaten im Auftrag des russischen Staats. Hinzu komme die Einschätzung, dass Russland ehemalige Geheimdienstoffiziere als Ziele betrachte. Aitkenhead wies zugleich russische Andeutungen zurück, wonach das Gift auch aus dem nur elf Kilometer vom Tatort entfernten Labor selbst stammen könnte.

OPCW-Sondersitzung am Mittwoch

Der Exekutivrat der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) berät am Mittwoch über den Fall. Die Sondersitzung des OPCW-Exekutivrats findet auf Antrag Russlands unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Den Haag statt. Russland hatte die Sondersitzung des Leitungsgremiums der OPCW beantragt. OPCW-Experten hatten Spuren des Giftes untersucht. Unklar war zunächst, ob bei der Sondersitzung bereits Ergebnisse der Untersuchung vorgelegt werden sollten.

Putin hofft auf Schlussstrich

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte am Dienstag am Rande eines Besuchs in Ankara, dass sein Land "an einer vollumfänglichen Untersuchung interessiert" sei. Moskau habe anlässlich der Sitzung des Exekutivrates der OPCW 20 Fragen aufgeworfen. "Ich hoffe, dass bei dieser Diskussion ein Schlussstrich gezogen werden kann unter das, was passiert ist." Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ging noch einen Schritt weiter und forderte eine Entschuldigung Londons.

Die Affäre um die mutmaßliche Nervengift-Attacke auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Großbritannien hatte zu erheblicher Verstimmung zwischen dem Westen und Russland geführt. Moskau bestreitet jegliche Verantwortung für den Giftanschlag und wirft London vor, die Schuld voreilig Russland zugeschoben zu haben. (APA, Reuters, red, 3.4.2018)