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Begeisterte Reaktionen in New York nach Spotifys starkem Auftakt an der Börse.

Foto: REUTERS/Lucas Jackson

New York/Stockholm – Für Spotify hat sich sein ungewöhnlicher Börsengang ausgezahlt. Der weltgrößte Musikstreaming-Anbieter aus Schweden schaffte am Dienstag an der New York Stock Exchange (Nyse) die wertvollste jemals erreichte Direktplatzierung. Die Aktien sprangen zum Handelsstart fast 26 Prozent auf 165,90 Dollar (134,65 Euro). Die Orientierungsmarke der Nyse hatte bei 132 Dollar gelegen.

Damit war das Unternehmen, dessen 35-jähriger Chef Daniel Ek auf Understatement setzte und auch auf Rituale wie das Läuten der Glocke zur Börseneröffnung verzichtete, mit einem Schlag fast 30 Milliarden Dollar wert. Vorab spielte Ek die Relevanz des Tages herunter und betonte, das Debüt am Aktienmarkt hebe das Unternehmen zwar auf die große Bühne, aber "es ändert nicht, wer wir sind, um was es uns geht und wie wir vorgehen".

Im Handelsverlauf musste die Aktie dann allerdings auf 149 Dollar nachgeben – was immer noch 13 Prozent über dem Referenzkurs liegt.

Für die NYSE war es die erste Direktplatzierung überhaupt. Experten vermutet, dass Spotify einen Trend lostreten und nun andere noch nicht börsennotierte Technologieunternehmen wie die Mitfahrdienste Uber und Lyft in die Fußstapfen treten könnten. Dies würde vor allem Banken die Geschäfte erschweren, die für den von ihnen bei einem herkömmlichen Börsengang organisierten Preisbildungsprozess Gebühren verlangen. Im Vergleich zu einem typischen IPO sind bei Spotifys Börsengang deutlich mehr Aktien als üblich handelbar: fast 91 Prozent der insgesamt 178 Millionen Papiere. Spotify hatte die Direktplatzierung so gestaltet, dass Altinvestoren ihre Anteile auf den Markt werfen konnten, während keine neuen Aktien ausgegeben wurden.

Operativer Verlust nahm zu

Das Unternehmen ist mit zuletzt 71 Millionen zahlenden Abo-Kunden und 159 Nutzern insgesamt zwar die klare Nummer eins im Musik-Streaming, schreibt allerdings seit seiner Gründung 2006 rote Zahlen. Trotz starken Wachstums – der Umsatz kletterte 2017 um fast 39 Prozent – nahm der operative Verlust von 349 Millionen auf 378 Millionen Dollar zu. 2018 will Spotify die 200-Millionen-Nutzer-Marke knacken, rechnet aber mit einem Minus von 230 bis 330 Millionen Dollar.

Um Anleger vor dem Börsendebüt zu überzeugen, verglich sich Spotify mit Netflix. Firmenchef Ek hatte mit Barry McCarthy ausgerechnet den Mann als Finanzchef verpflichtet, der 2002 bereits den heutigen Marktführer im Video-Streaming an die Börse brachte. Parallelen gibt es durchaus: Bevor Netflix zum Inbegriff einer neuen Fernsehkultur wurde, die ohne klassische Kabelanbieter auskommt, schrieb das Unternehmen auch lange Zeit rote Zahlen. Heute ist Netflix profitabel und an der Börse mehr als 123 Milliarden Dollar wert.

Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied, der Zweifel an einer Erfolgsstory wie bei Netflix aufkommen lässt. Denn der Spotify-Boom füttert bisher vor allem die Rechtebesitzer der Musik, die der Streamingdienst seinen Kunden anbietet. Während Netflix sich mit eigenen Inhalten zum Angstgegner von Unterhaltungsriesen wie Disney oder Time Warner aufbaute, ist Spotify abhängig von den großen Labels Sony Music, Warner und Universal Music.

"Auf und Abs"

Einige Marktteilnehmer warnten davor, den ersten Handelstag überzubewerten. Das Spotify-Debüt erfolgte inmitten einer vom Facebook-Datenskandal und Trumps Amazon-Kritik ausgelösten Verlustserie bei US-Technologiewerten. Allzu hohe Erwartungen wollte auch Ek nicht wecken. "Ich habe keine Zweifel daran, dass es Aufs und Abs geben wird", schrieb er im Unternehmensblog. "Manchmal sind wir erfolgreich, manchmal straucheln wir." Volatilität gab es dann auch gleich am ersten Tag. Fünf Stunden nach Handelsbeginn lag die Aktie nur noch bei 150 Dollar.

Spotify sei kein gewöhnliches Unternehmen, begründete Ek den speziellen Weg an die Börse. Es gab weder eine Werbetour bei Investoren, um die Aktien anzupreisen, noch eine Zeichnungsfrist oder einen Ausgabepreis. Das spart Zeit und Geld. Letzteres wird Spotify auch benötigen, um sein Wachstum anzukurbeln, dass sich im laufenden Jahr auf 20 bis 30 Prozent abkühlen soll. Im vergangenen Jahr waren die Erlöse noch um 39 Prozent geklettert. Im Börsenprospekt äußerte die Firma die Hoffnung, weitere "traditionelle" Radiohörer für sich gewinnen zu können. Die Ambitionen von Spotify sind groß: "Wir glauben an die Universalität von Musik, die uns die Gelegenheit gibt, viele der mehr als 3,6 Milliarden Internetnutzer weltweit zu erreichen."

Spotify gehört nach Snap, Facebook und Alibaba zu den größten Börsendebüts von Techkonzernen an der Wall Street der letzten Jahre. Der Start des weltgrößten Online-Netzwerks 2012 verlief – auch wegen technischer Probleme – mehr als holprig. Trotzdem hat der Konzern von Mark Zuckerberg seither seinen Börsenwert mehr als vervierfacht. (APA, 3.4.2018)