Maria Elena Leuzzi, Gründerin der Kinderhilfsorganisation Avivi, prangert an: "Die Kinder kamen mit ihren Träumen und Hoffnungen aus ihrer Heimat. Diesen Kindern wurden ihre Kindheit und ihre Körper gestohlen."

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Buenos Aires – Eine Karriere als Fußballprofi ist auch in Argentinien der Traum vieler Kinder und Jugendlicher. Doch wenn es stimmt, was die Staatsanwaltschaft Buenos Aires derzeit untersucht, ist der Traum für einige zum Albtraum geworden.

Es geht um den Missbrauch von Nachwuchsspielern und das Ausnutzen von Abhängigkeiten bei zwei Topvereinen des Landes. Mehrere Jugendspieler des Rekordmeisters River Plate sowie des Spitzenklubs Independiente sollen zu Sex mit Erwachsenen gedrängt worden sein. Im Gegenzug soll ihnen Geld, der Aufstieg in andere Mannschaften oder Sportausrüstung wie Fußballschuhe versprochen worden sein.

"Die Burschen kamen mit ihren Träumen und Hoffnungen aus ihrer Heimat. Diesen Kindern wurden ihre Kindheit und ihre Körper gestohlen", sagt Maria Elena Leuzzi, Gründerin der Kinderhilfsorganisation Avivi. Sie hat mitgeholfen, die Vorwürfe öffentlich zu machen, und inzwischen Strafanzeige gestellt. Die Behörden ermitteln.

"Ich habe mit fünf Buben gesprochen. Drei haben mir Informationen gegeben, einer hat erklärt, er habe mitbekommen, dass etwas passiert ist. Einer hat erklärt, es sei nichts vorgefallen", sagt Staatsanwältin Maria Soledad Garibaldi zum Stand der Untersuchungen. Am Dienstag wurde zudem das Estadio Monumental, Heimstätte von River Plate und der argentinischen Nationalmannschaft, durchsucht.

Sechs Verhaftungen

Noch zeichnet sich nicht ab, welche Ausmaße die Untersuchung annimmt. Sechs Personen wurden inzwischen verhaftet, die Vorfälle sollen zwischen 2004 und 2011 stattgefunden haben. Die Behörden befürchten, dass weitere Klubs und auch andere Sportarten betroffen sein könnten.

Erstmals an die Öffentlichkeit kamen die Vorfälle Mitte März, nachdem zwei Independiente-Jugendspieler im Alter von 17 und 19 Jahren sich an den Vereinspsychologen gewandt hatten. Der Klub informierte daraufhin die Behörden. Am vergangenen Montag wurden mindestens drei weitere Fälle bei River Plate, dem Ex-Klub von Stars wie Gonzalo Higuain und Javier Mascherano, bekannt.

"Unglücklicherweise überrascht mich das nicht", sagt Independiente-Trainer Ariel Holan über die Vorwürfe. "Es ist etwas, das im Verborgenen geschieht und ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Wie Drogen- und Alkoholmissbrauch oder Menschenhandel."

Die mutmaßlichen Täter haben dabei die Situation der Kinder und Jugendlichen in den Internaten der Klubs ausgenutzt. Viele Nachwuchsspieler stammen aus ärmeren Provinzen im Landesinneren, sind von ihren Familien getrennt – und stehen unter einem enormen Druck. Lediglich zwei bis drei Prozent schaffen den Sprung in die erste Liga. (sid, red, 4.4.2018)