Ein Blechbläser-Trio hätte er gerne. So eines, wie man es von Begräbnissen kennt. Aus deren Instrumenten akustische Abschiedsgrüße kommen, die den Novemberregen am Friedhof noch ein wenig unerträglicher machen. Und die Orgel, die ist ebenfalls gerade ein Thema.
Paul Plut sitzt im Kaffeehaus und denkt über Paul Plut nach. Paul Plut ist eine seiner drei künstlerischen Identitäten, wahrscheinlich die persönlichste. Die anderen beiden heißen Marta und Viech. Viech ist der Anlass des Treffens mit dem steirischen Musiker. Diesen Freitag erscheint das neue Album des Trios. Es heißt "Heute Nacht nach Budapest".
Viech ist das wahrscheinlich eingängigste Projekt des 33-Jährigen. Marta ist eine Bluespunkband, die er ins Leben gerufen hat, weil er wieder mehr verzerrte Gitarre spielen wollte. Alle Formationen prägt er mit seiner Stimme. Die bleibt hängen.
Pluts Organ bewohnt den Keller. Kein Black-Metal-Grundeln, aber doch mit einem Belag, dem das Klischee ein hartes Leben und einen harten Umgang damit unterstellt.
Ins Büro nach Simmering
Dabei ist Plut ein aufgeräumter Mann. Anzug, leichte Walter-Sedlmayr-Anmutung, höflich. Den Alltag hat er gern strukturiert. Vielleicht eine Altlast seines Vorlebens als Musiklehrer in Wien-Floridsdorf. Den Job hat er vor zwei Jahren aufgegeben: "Man kann nicht die ganze Zeit über Tod und Suizid schreiben und daneben Kinder unterrichten, geht sich nicht aus." Jetzt ist er Musiker, ganz. Trotzdem und deshalb fährt er in die Arbeit – raus nach Simmering, wo er sich mit Kinderrockstar Matthäus Bär einen Proberaum teilt.
Artmann und Regener
Bei Viech singt Plut auf Deutsch, damit kann er sich am besten vermitteln. Es fallen Namen wie Sven Regener und H. C. Artmann, deren Erzählkunst Einfluss auf seine Texte nimmt, wegen ihrer Präzision und ihrem Schmäh. Zwar hieß Pluts Soloalbum "Lieder vom Tanzen und Sterben", er sieht das Werk aber nicht so tragisch, wie die Kritik es interpretierte. "Das hat auch Lieder, die Hoffnung geben."
Viech steht mit beiden Beinen im Leben. Von der Stimmung her ist es eher Nacht als Tag. Die Musik hat Zug und Biss, die Produktion ist fett. Nicht künstlich aufgeblasen, das mag er nicht, aber halt gut im Saft stehend. Das kann er, sagt er, und es stimmt.
Dylan für Touristen
Sein Narrativ schulte er an großen Erzählern wie Tom Waits, Nick Cave und PJ Harvey: "Die habe ich studiert." Und Bob Dylan. Dessen Songbook hat er bereits als Teenager zu Hause in der Ramsau vor mäßig interessierten Touristen zur Aufführung gebracht.
Während er bei Viech zuletzt hauptsächlich Tasteninstrumente gespielt hat, reduzierte er die Band nun auf Bass, Gitarre und Schlagzeug, Bassistin Martina Stranger singt Chor. Das verleiht Pluts Erzählungen einen Schuss Erhabenheit und nimmt ihnen das Klischee des gekränkten Alphatiers.
An den richtigen Stellen jault die Gitarre, der Sound ist roh, aber nicht grindig. Der Bandname wirkt da zu grob, denn die Texte sind zu schlau, die Musik zu lässig. Plut schätzt den Charme des Zufälligen. "Alan Lomax hat seine Field Recordings auch mit Geräten aufgenommen, die heute von jedem Handy übertroffen werden, trotzdem haben sie eine enorme Wirkung."
Viech auf Tour
Fehlende Wirkung kann man seinen Bands allesamt nicht nachsagen. Nach der aktuellen Tour mit Viech, widmet er sich wieder seinem Soloprojekt. Schauen, was geht – schauen, ob das mit der Friedhofskapelle was wird. (Karl Fluch, 4.4.2018)