Washington – Sie sind gewissermaßen das aquatische Gegenstück der Singvögel, deren Konzerte im Frühling beginnen: Grönlandwale "singen" in den dunklen Wintermonaten von November bis April vor der grönländischen Küste – rund um die Uhr, wie Forscher der University of Washington in Fachblatt "Biology Letters" berichten. Dabei improvisieren die bis zu 20 Meter langen Tiere und entwickeln immer neue Weisen.

Grönlandwal in der Framstraße.
Foto: Kit Kovacs/Norwegian Polar Institute

184 unterschiedliche Melodien konnten Kate Stafford, Hauptautorin der Studie, und ihre drei Kollegen während der dreijährigen Forschungsphase aufnehmen. "Nur ein paar wenige Singvogelarten können mit der Diversität und den zwischenjährlichen Variationen der Gesänge der Grönlandwale mithalten", so Stafford. Zum Nachhören gibt es die Melodien hier und hier.

Überraschende Variation

Das Besondere an ihren Liedern: Sie sind nicht genetisch vererbt, wie die Balzrufe vieler anderer Tiere, sondern müssen erlernt werden. Nur wenige andere Säugetiere wie etwa manche Fledermausarten und Gibbons zeigen ein ähnliches Verhalten, wobei sich die Melodien bei ihnen häufig wiederholen.

Die Forscher hörten den Tieren drei Jahre lang zu.
Foto: Kit Kovacs/Norwegian Polar Institute

Auch Buckelwale verfügen über ein sehr ausgeprägtes Repertoire an Liedern, die sich jährlich verändern. Doch sie improvisieren nicht so frei wie die untersuchten Grönlandwale. "Wenn Buckelwal-Lieder Klassik sind, dann sind die der Grönlandwale Jazz", so Stafford. Deren Gesänge hätten sich während der Forschungsperiode niemals wiederholt, stattdessen sei jedes Jahr ein kompletter neuer Satz hinzugekommen.

Warum die Grönlandwale ihre Lieder so häufig ändern, ist bisher unklar. "Verhaltensbiologisch ist das ein großes Mysterium", betonte Stafford. Auch ob – wie bei vielen Balzrufen in der Tierwelt – nur die Männchen singen oder auch die Weibchen, ist noch nicht bekannt. (APA, red, 7.4.2018)