New York / Wien – Die Zentren der meisten, wenn nicht sogar aller Galaxien beherbergen Schwerkraftgiganten von ungeheurem Ausmaß: sogenannte supermassereiche Schwarze Löcher. Mit millionen- bis milliardenfachen Sonnenmassen sind sie die größten Kaliber dieser Objektklasse. Auch im Herzen unserer Galaxie, der Milchstraße, sitzt ein solcher Riese – Sagittarius A*, der auf rund 4,3 Millionen Sonnenmassen geschätzt wird. Und er ist in guter Gesellschaft.

Künstlerische Darstellung von Sagittarius A*, dem supermassereichen Schwerkraftmonster im Herzen unserer Galaxie.
Illustration: Nasa

Wie Forscher um Charles Hailey von der Columbia University in New York nun im Fachblatt "Nature Astronomy" berichten, fanden sie Hinweise auf ein Dutzend weiterer Schwarzer Löcher rund um Sagittarius A* und legen damit die bislang überzeugendste Bestätigung einer jahrzehntealten Vorhersage vor: dass supermassereiche Schwerkraftmonster nämlich von tausenden, wenn nicht zehntausenden kleineren Schwarzen Löchern umgeben sind, die in ihrem Bann stehen. Die Implikationen sind aus Haileys Sicht enorm: "Alles, was man über die Wechselwirkungen großer und kleiner Schwarzer Löcher wissen will, lässt sich künftig durch die Erforschung ihrer Verteilung im Zentrum der Milchstraße lernen."

Verräterische Paare

Dass unsere Galaxie von einer großen Zahl Schwarzer Löcher bevölkert wird, ist schon lange bekannt: Schätzungen gehen von einer Gesamtzahl von bis zu 100 Millionen solcher Objekte aus, die vorwiegend aus kollabierten Sternen entstanden sind und nur wenige Sonnenmassen haben. 2016 entdeckten Forscher dann einen Kandidaten, der mit etwa 100.000 Sonnenmassen das zweitgrößte bekannte Schwarze Loch in der Milchstraße sein dürfte und "nur" rund 200 Lichtjahre von Sagittarius A*entfernt ist.

Wie viele kleinere Schwarze Löcher sich im galaktischen Herzen befinden, ist aber unklar – Astronomen vermuten, dass es viele sein müssen: Die gas- und staubreiche Umgebung ist eine ideale Brutstätte für massereiche Sterne, die am Ende ihres Lebens zu Schwarzen Löchern werden können. Zudem könnten weiter entfernte Objekte im Lauf der Zeit durch Energieverlust in den Schwerkraftsog von Sagittarius A* geraten.

Kombinierte Aufnahmen der zentralen Region der Milchstraße mit Sagittarius A* in der Mitte.
Foto: X-ray: NASA/UMass/D.Wang et al., IR: NASA/STScI

Während die meisten kleineren Schwarzen Löcher isoliert und damit für Astronomen unsichtbar bleiben, "paaren" sich manche mit einem vorbeiziehenden Stern, und es entsteht ein binäres System. Solche Paare können enorme Helligkeitsausbrüche verursachen, die sich wiederum beobachten lassen – allerdings nur sehr selten.

Nahe Nachbarn

Hailey und Kollegen gingen daher einen anderen Weg: Sie suchten nicht nach starken Strahlenausbrüchen, sondern nach schwächeren, stabileren Emissionen, die von Doppelsystemen in inaktiven Phasen erzeugt werden.

In Daten des Nasa-Röntgenteleskops Chandra wurden sie fündig: Sie identifizierten die Signaturen von zwölf schlummernden binären Schwarzen Löchern, die nur drei Lichtjahre von Sagittarius A* entfernt sind. Simulationen auf Grundlage der Beobachtungsdaten ergaben, dass es in dieser Region gar 300 bis 500 solcher Doppelsysteme und bis zu 10.000 einzelgängerische Schwarze Löcher geben könnte.

Das nährt die Hoffnung, bald auch Gravitationswellen aus dem Herzen der Milchstraße zu empfangen: Diese Störungen der Raumzeit, deren Messung 2015 erstmals gelang, werden unter anderem von verschmelzenden Schwarzen Löchern erzeugt und ermöglichen Einblicke in diese sonst unsichtbaren Ereignisse. Hailey: "Alle Informationen, die Astrophysiker brauchen, liegen mitten in unserer Galaxie." (David Rennert, 4.4.2018)