Die im Bestand des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste verwahrten kleinen Entwürfe (wie den "Trompetenden Putto") für den Plafond der Wiener Hofoper fertigte Carl Rahl (1812–1865).

Foto: Archiv Alfred Weidinger

Rahl starb vor der Ausführung, und Eduard Bitterlich übernahm den Auftrag, die Werkzeichnung (im Bestand der Albertina) anzufertigen.

Foto: Archiv Alfred Weidinger

Alfred Weidinger "überblendete" die Werkzeichnung mit dem Tondo aus dem Besitz des Kunsthändlers. "Fazit: Es deckt sich vollständig."

Foto: Archiv Alfred Weidinger

Josef Renz ist ein Antiquitätenhändler der hartnäckigen Sorte. Besonders wenn es um ein vor Jahren (angeblich in einer Garage) in Oberösterreich entdecktes Rundgemälde geht, das einen "Trompetenden Putto" zeigt.

Er ist überzeugt, bei dem Tondo handelt es sich um ein Werk von Gustav Klimt. Diesen Nachweis zu erbringen, das ist seine persönliche Agenda, die von "exklusiven" Berichten der "Kronen Zeitung" begleitet wird: seit 2012, als man hierzulande Klimts 150. Geburtstag zelebrierte.

Weder "Gustav" noch "Ernst"

Bereits damals deponierten Klimt-Experten öffentlich ihre Zweifel. Allen voran Alfred Weidinger, ehedem Vizedirektor des Belvedere und Autor des 2006 publizierten Werkverzeichnisses: "Mit Gustav Klimt hat das nichts zu tun."

Die stilistischen Mängel sind offenkundig, sogar ein Frühwerk sei auszuschließen. Eventuell aus dem Umfeld von Klimts Bruder Ernst? Eine anfängliche Vermutung, die bei genauerer Betrachtung ebenfalls ad acta gelegt wurde, wie Weidinger später erzählte.

Erinnerungsfoto mit Justizminister

Renz ließ sich nicht beirren und nutzte nahezu jede Gelegenheit, um das vermeintliche Klimt-Werk zu inszenieren. So besuchte er, zeitgleich mit dem damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter, im Oktober 2016 das von der Klimt-Foundation betriebene Gustav-Klimt-Zentrum am Attersee.

Foto: Screenshot Facebook

Die Prominenz nahm für ein Erinnerungsfoto Aufstellung, wie ein Facebook-Beitrag von Johnny Reiter, dem Bürgermeisters von Seewalchen, belegt: "Kunsthändler Josef Renz präsentierte den 'Trompetenden Putto', der Klimt zugeordnet bzw. als Klimt-Werk identifiziert wurde", berichtete der Ortschef euphorisch.

Foto: Screenshot krone.at

Nun, im 100. Todesjahr, war ein Update seitens Josef Renz gewissermaßen absehbar. "Kunstkrimi gelöst: Gemälde ist ein echter Klimt!", titelt die "Kronen Zeitung" online. Das Werk wurde jetzt "erstmals in Hannover der Weltöffentlichkeit vorgestellt". Zuvor habe der "bekannte Antiquitätenhändler" noch "deutsche Top-Kriminalisten sowie den Nasa-Experten Göstar Klingelhöfer von der Universität Mainz" eingeschaltet.

Deckengemälde für die Hofoper

Unter der Leitung "des international angesehenen Fachmanns Franz Renz von der Leibniz-Hochschule in Hannover" – erraten, der Bruder des Händlers – seien neue Ergebnisse präsentiert worden. Konkret sei unter UV-Licht eine bislang unbekannte Signatur entdeckt worden.

Allein, sie kann gar nicht von Gustav Klimt stammen, betont Weidinger, nunmehr Direktor des Leipziger Museums der bildenden Künste. Denn ursprünglich zierte das Tondo den Plafond der Wiener Hofoper. Der Entwurf stammt von Carl Rahl, der 1865 und damit vor der Ausführung verstarb. Den Auftrag "erbte" Eduard Bitterlich, der auch die zugehörigen Werkzeichnungen schuf.

Werk eines Sechsjährigen?!

Weidinger überblendete die Aufnahmen der Werkzeichnung mit jener des Renz-Bildes. "Fazit: Es deckt sich vollständig." Davon abgesehen: Die Hofoper wurde im Mai 1869 eröffnet, womit Gustav Klimt bei der Ausführung des Gemäldes sechs Jahre alt gewesen wäre.

Damit dürfte auch die von der "Kronen Zeitung" angekündigte Leihgabe an das Leopold-Museum im Rahmen der Klimt-Ausstellung (ab 22. Juni) Geschichte sein. "Es gab nur ein Vorgespräch", erklärt Direktor Hans-Peter Wipplinger in einem Telefonat. Allenfalls wollte er die Klimt-Experten zu einem Diskurs über dieses Werk einladen. Was immer es darüber aus fachlicher Sicht überhaupt noch zu debattieren geben sollte. (Olga Kronsteiner, 4.4.2018)