Frankreichs Nationalversammlung soll künftig statt 577 nur noch 404 Sitze umfassen. Der Senat soll von 348 auf 245 Sitze verkleinert werden.

Foto: APA/AFP/GERARD JULIEN

Wichtigste Neuerung: Frankreichs erste Parlamentskammer, die Nationalversammlung, soll schon ab der nächsten Wahl nur noch 404 Sitze umfassen, nicht mehr 577. Der Senat als Zweitrat soll ebenfalls um 30 Prozent von 348 auf 245 Sitze verkleinert werden, kündigte Premierminister Edouard Philippe am Mittwochabend an.

Das Vorhaben geht auf ein Wahlversprechen von Präsident Emmanuel Macron zurück, mit dem er das Vertrauen der Bürger in die Politik wiederherstellen will. Das Vorhaben ist in Frankreich so populär, wie die Pariser Politiker unbeliebt sind: Laut Umfragen sind rund 80 Prozent der Bürger für den Rückbau des Parlaments. Macron spielt sogar mit dem Gedanken, das Projekt einer Volksabstimmung zu unterziehen. Das geschähe dann, wenn sich die Rechtsopposition querlegen sollte. Ihre Stimmen sind unerlässlich, da eine Verfassungsreform eine Dreifünftelmehrheit erfordert.

Entgegenkommen an Konservative

Die konservativen Republikaner stehen der Vorlage skeptisch gegenüber. Ihre Abgeordneten sind lokal meist stark verwurzelt, doch die Sitzverminderung erfordert eine komplette Neuorganisation der Wahlkreise, was einige Abgeordnete ihrer Bastionen berauben würde. Macron kommt deshalb dem konservativen Senatspräsidenten Gérard Larcher in einigen Nebenpunkten entgegen. Der Präsident hält zwar an der Beschränkung auf drei Amtszeiten fest, setzt sie aber frühestens ab 2032 in Kraft. Kleine Gemeinden mit weniger als 9.000 Einwohnern bleiben ohnehin davon ausgenommen.

Macron will auch seine Absicht umsetzen, neben dem geltenden Mehrheitswahlrecht eine Dosis Proporz einzuführen. 15 Prozent der Nationalversammlung, also 61 Abgeordnete, sollen ab der Wahl 2022 per Verhältniswahlrecht gewählt werden. Kleinparteien wie die Grünen und die Mittepartei Modem, die davon profitieren würden, hatten auf 25 Prozent Proporz gedrängt; die Rechte, der an dem auf Charles de Gaulle zurückgehenden Mehrheitsprinzip der Fünften Republik gelegen ist, wollte aber nur zehn Prozent Proporz.

Zusätzliche Sitze für Front National

Auch der Front National würde vom neuen Wahlrecht profitieren. Die Ultranationalen kommen in der heutigen Nationalversammlung nur auf sechs Abgeordnete. Je nach Wahlergebnis können sie in Zukunft mit einem Dutzend zusätzlicher Sitze rechnen. Dieses Zugeständnis an die Le-Pen-Partei bleibt damit genau dosiert. Ohne Allianzen wird sie in der Nationalversammlung eine kleine Minderheit bleiben.

Nicht zufällig präsentierte Macrons Premier die Vorlage, während die Eisenbahn-Gewerkschaften gegen seine Schienenreform streiken. Der Staatschef signalisiert damit, dass er das Land trotz harter Widerstände weiter reformieren will. Der Bahnstreik ist von großer politischer Tragweite, wird er doch über Erfolg oder Misserfolg von Macrons Reformkurs entscheiden. Fürs Erste bleiben beide Seiten hart. Die öffentliche Meinung schwankt.

Streik unterbrochen

Am Mittwoch waren erneut hunderttausende Arbeitspendler von dem Streik betroffen; von Donnerstag bis Samstag wollen die Eisenbahner nun eine Streikpause einlegen. Diese Zermürbungstaktik dürfte die Bahnkunden und Autofahrer zunehmend verärgern. Darauf setzt Macron. Allerdings machen die Franzosen gerne die Regierung für das Streikchaos verantwortlich.

Die Gewerkschaften wollen ihren Stop-and-go-Streik bis Ende Juni durchziehen. Dass die öffentliche Meinung – und die zunehmend leidende Wirtschaft – bis dann ausharren wird, scheint wenig wahrscheinlich. Der Sieger dieser Kraftprobe dürfte schon vorher feststehen. (Stefan Brändle aus Paris, 5.4.2018)