Der Blauwal ist der unbestrittene Gigant unserer Welt. Die Aufspaltung der Furchenwale, zu denen er zählt, begann vor 10,5 Millionen Jahren.

Foto: Florian Schulz

Frankfurt/Stockholm – Ein internationales Forscherteam hat das komplette Erbgut des Blauwals und von fünf weiteren Walarten entschlüsselt. Die Ergebnisse geben überraschende Walverwandtschaften preis: Denn auch während der Artbildung paarten sich verschiedene Furchenwale, zu denen auch der Blauwal zählt, über die entstehenden Artgrenzen hinweg, wie die Wissenschafter im Fachblatt "Science Advances" berichten.

Durch die Entschlüsselung des Erbguts lasse sich die Evolutionsgeschichte der größten bekannten Tiere der Erdgeschichte detailliert nachvollziehen, so das Team um den Evolutionsgenetiker Axel Janke vom Senckenberg-Institut und der Universität Frankfurt.

Keine Isolation

Bei der Aufspaltung der Furchenwale, die vor 10,5 Millionen Jahren begann, gab es gleich zwei ungewöhnliche Faktoren: Es war keine natürliche Barriere zwischen den entstehenden Arten vorhanden und Tiere dieser Arten paarten sich noch miteinander. "Arten bilden sich gewöhnlich durch reproduktive Isolation, die durch genetische oder geografische Barrieren entsteht", sagte Fritjof Lammers vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Koautor der Studie.

Artbildung mit Genfluss, also mit Paarung über die Grenzen hinweg, sei in der Natur selten. Für Furchenwale scheine dies aber nicht zu gelten. Geografische Grenzen gibt es für die Wale in den Weiten der Ozeane ohnehin nicht. Selbst heute noch werden Kreuzungen von Finn- und Blauwalen gesichtet, so die Wissenschafter. Im Erbgut ließ sich das jedoch noch nicht nachweisen.

Eingliederung der Grauwale

In der sechsjährigen Studie sequenzierten die Forscher das Erbgut von insgesamt sechs Walarten: Blau-, Sei-, Grau-, Grönland-, Zwerg- und Buckelwal. Darunter wurden fünf laut Janke bisher als Furchenwale eingestuft, Grauwale hätten nicht dazu gezählt – sie haben aufgrund ihres Aussehens aber eine Sonderstellung innerhalb der Bartenwale. "Die haben sie nach den genetischen Analysen nicht mehr", so Janke. "Wir schlagen vor, auch die Grauwale in die Gattung Balaenoptera aufzunehmen. Damit wären alle Furchenwale vereint und um eine Art reicher."

Furchenwale besitzen tiefe Hautfalten, die sich von der Kehle bis zum Bauch erstrecken können. Diese Falten dehnen sich aus, wenn die Wale ihr Maul öffnen, wodurch es zu einer Vergrößerung des Rachenraums kommt – die Wale können dadurch gigantische Wassermengen aufnehmen.

Die Gen-Analysen brachten auch eine positive Nachricht ans Licht: "Durch den Walfang ist die Genvariabilität nicht verloren gegangen. Sie sind auf gutem Weg, sich wieder erholen", so Janke. Die Arten seien aufgrund ihrer überraschend hohen Genvariabilität fähig, Krankheitserregern, Parasiten oder Umweltveränderungen gut abzuwehren. (APA, red, 5.4.2018)