"Männer haben das Recht auf eine zielgerichtetere Behandlung, als das, was momentan noch Standard ist", sagen australische Wissenschafter.

Foto: Regine Hendrich

Melbourne – Forscher der Deakin University in Melbourne entwicklen in einer Studie die Hypothese, dass Pflegekräfte in Krankenhäusern die speziellen Bedürfnisse von Männern häufig nicht beachten. Studienleiterin Dell Lovett führte dazu Tiefeninterviews mit 19 Pflegekräften und 20 männlichen Patienten durch. "Wir haben herausgefunden, dass viele Krankenpflegekräfte sensible oder persönliche Gesundheitsthemen mit männlichen Patienten ungern besprechen. Männliche Patienten verhalten sich nicht so wie weibliche Patienten – ihre Gesundheitsbedürfnisse sind anders, und die angewandten Pflegemaßnahmen müssen dementsprechend individuell angepasst werden."

Ein Problem orten die Wissenschafter in den einheitlichen Behandlungsansätzen für Männer und Frauen im Rahmen der medizinischen Erstversorgung. "Männer müssen sich früher in medizinische Behandlung und Krankenpflege begeben, als sie es momentan tun. Wenn sie dann vorstellig werden, können sich die Männer nur schwer auf die Gesundheitsexperten einlassen und sehen sich mit standardisiertem Vorgehen konfrontiert", betonen die Studienautoren.

Umgang mit Männern lernen

Lovett zufolge tun sich Männer schwer damit, die Wichtigkeit der medizinischen Grundversorgung zu erkennen. Ihre Angst, als "Jammerlappen" angesehen zu werden, verschlimmere die Situation zusätzlich. "Kulturell bedingte Männlichkeitsbilder und stoisches Verhalten – insbesondere bei älteren Männern – führen dazu, dass Männer sich der medizinischen Behandlung entziehen. Es gibt kein Land, in dem die Lebenszeit der Männer genauso hoch ist, wie die der Frauen, und das hat nicht nur etwas mit den Genen zu tun. Der klassische Australier geht mit einer "wird schon werden"- Mentalität durch das Leben, doch wenn sie sich früher in medizinische Behandlung begeben würden, würden sie länger leben", erklärt Dell Lovett.

Die Forderung der Wissenschafter: Auch die Angestellten im Bereich der medizinischen Erstversorgung sollten sich im Umgang mit männlichen Patienten neu orientierten. "Männer haben das Recht auf eine zielgerichtetere Behandlung, als das, was momentan noch Standard ist. Dieses Problem betrifft ganz Australien, und es wird Zeit, darüber mehr zu sprechen. Wenn wir es schon mal schaffen, die Männer dazu zu bekommen, sich untersuchen zu lassen, dann müssen die Krankenpflegefachkräfte auch wissen, wie sie mit ihnen umgehen können." (red, 6.4.2018)