Zwischen Simmeringer Haide und Schwechat wird ab Juli der Pannenstreifen bei Stau befahrbar sein.

Foto: Urban

Die freie Fahrt auf dem Pannenstreifen bei Staus begrüßen sowohl Autofahrerklubs als auch Verkehrsexperten grundsätzlich. Allerdings nicht uneingeschränkt: ÖAMTC und ARBÖ befürchten nämlich, dass die Ausnahme zur Regel werden könnte – und so wichtige Investitionen in Erweiterungen von Autobahnen ausbleiben. "Mich beunruhigen die Aussagen von Verkehrsminister Hofer, der betont, wie viel damit gespart werden kann", sagt etwa ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer. Die Öffnung des Pannenstreifens solle man als Ausnahmezustand betrachten und nicht als zusätzliche Spur.

Gerald Kuming, Generalsekretär des ARBÖ, schließt sich der Kritik an. Es solle sich nur um "eine zusätzliche Möglichkeit" handeln, "den Verkehr zu beschleunigen und Stauhotspots zu entschärfen".

Asfinag: Kein Grund zur Sorge

Auch das Thema Verkehrssicherheit betonten die Autofahrerklubs im Zusammenhang mit dem von Verkehrsminister Norbert Hofer präsentierten Projekt. Der ÖAMTC empfiehlt diesbezüglich unter anderem ein begleitendes Tempolimit und zusätzliche Pannenbuchten.

Bei der Asfinag, die für die Umsetzung zuständig ist, gibt es grundsätzlich Verständnis für die Bedenken der Autofahrerklubs. Grund dazu gebe es aber keinen, sagt Christoph Pollinger, ein Sprecher der Asfinag. Es werde auf jeden Fall Pannenbuchten geben – und zweitens werde im Falle eines Unfalls der Streifen sofort wieder gesperrt.

Für ein hohes Maß an Sicherheit sollen einerseits die 27 Webcams sorgen, die zur Überwachung der knapp vier Kilometer langen Teststrecke auf der A4 in Richtung Ungarn herangezogen werden. Andererseits seien natürlich auch eine entsprechende Breite der Fahrstreifen und eine gute elektronische Ausschilderung wichtig, sagt Pollinger. Beides werde die Asfinag natürlich gewährleisten.

Der nicht mehr so schmale Streifen

Bis der Testbetrieb im Juli starten kann, ist daher noch einiges zu tun: Die Kameras und die elektronischen Anzeigen müssen erst hergestellt werden und die Bodenmarkierungen erneuert werden: Die linke Fahrbahn soll dann 3,25 Meter breit sein, in der Mitte und auf dem bisher schmalen Pannenstreifen sollen 3,75 Meter Platz sein. Durch diese Breite seien für die Pannenbuchten keine baulichen Maßnahmen notwendig, sondern nur Markierungen, sagt Pollinger. Die Kosten liegen bei 2,2 Millionen Euro.

Bleibt die Frage nach einer etwaigen Ausweitung des Konzepts. Auch hier versichert man bei der Asfinag: kein Grund zur Sorge. "Es ist eine im Ballungsraum einfach umzusetzende Maßnahme, die aber keinesfalls Ausbauten ersetzen wird", sagt Pollinger. Die Asfinag investiere weiterhin Millionen in den Straßenausbau.

Wie sich Autofahrer verhalten sollen

Auch bei den Autofahrern sollte ankommen, dass es sich nur um eine Ausnahmeregelung handelt, die nur dann zum Einsatz kommt, wenn es die sogenannten Überkopfwegweiser beziehungsweise elektronischen Anzeigen am Fahrspurrand anzeigen. Denn ein widerrechtliches Befahren des Pannenstreifens kann teuer werden. Auch wer sein Auto auf dem Pannenstreifen stehen lässt, muss mit bis zu 726 Euro Strafe zusätzlich zu den Abschleppkosten rechnen.

Wie sich Autofahrer im Fall der Ausweitung zu verhalten haben, hat die Asfinag bereits beschrieben: Lkws dürfen dann nicht mehr überholen und nur auf der rechten Spur – also auf dem Pannenstreifen – oder in der Mitte fahren. Es gilt das je nach Verkehrsdichte geltende Tempolimit, und bei einer Panne oder einem Unfall sollte das Fahrzeug in die Pannenbucht gebracht werden. Die Rettungsgasse ist bei stockendem Verkehr genauso zu bilden wie auf Autobahnen und Schnellstraßen mit drei Fahrspuren: Die Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen bleiben ganz links, die Fahrzeuge auf dem mittleren Fahrstreifen und auf dem Pannenstreifen (also der dritten Spur) ordnen sich rechts ein. Einsatzfahrzeuge benutzen die freie Gasse zwischen der ersten und der zweiten Kolonne.

Rettungsgasse wie gewohnt

Einsatzfahrer kritisierten vor allem zu Beginn der Rettungsgassenpflicht im Jahr 2012, dass es bei der Bildung zu Problemen kam und es kein Durchkommen gibt. Mittlerweile funktioniere das im Großen und Ganzen aber ganz gut, sagt Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant beim Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK). "Spätestens wenn die Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht anrücken, machen die allermeisten wie vorgesehen Platz." In komplexen Verkehrssituationen – zum Beispiel auf Straßenabschnitten mit vielen Auf- und Abfahrten oder mit Baustellen – könne es allerdings öfter zu Problemen kommen. "Auf diesen Straßenabschnitten war es aber zuvor auch schon schwierig", sagt Foitik. Die Pannenstreifenteststrecke will er allerdings nicht vorab als eine solch komplexe Strecke beurteilen.

Ferdinand Zuser, Leiter der Landesverkehrsabteilung der Landespolizeidirektion in Niederösterreich, merkt dazu an, dass es besonders bei drei- und mehrspurigen Autobahnen Probleme gibt. Autofahrer seien hier oft überfordert. (Lara Hagen, 5.4.2018)