Spanien ist nach Deutschland der größte Schweinefleischproduzent in Europa und ein großer Konsument. Vor allem Schinken und Würste sind in Spaniens Gastronomie wichtig.

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Anfang Februar brachte eine Fernsehsendung den Stein ins Rollen. Eine Investigativreportage des Programms Salvados zeigte 2,7 Millionen Zuschauern, welch schlechtes Leben spanische Schweine haben. Ein Reporter war nachts mit Tierschützern in einen Großbetrieb im Südosten Spaniens ein gedrungen. Die Bilder sind erschütternd: Schweine, die sich wegen großer Geschwüre nicht hinlegen können oder die wegen Missbildungen nicht aufstehen können, andere liegen tot oder schwerkrank mit Bisswunden im Gehege.

Das Thema Massentierhaltung ist im Bewusstsein der Spanier angekommen. Erste Proteste regen sich, besonders gegen Großbetriebe in dünn besiedelten Gegenden. Deren Zahl hat in den vergangenen zehn Jahren um 32 Prozent zugenommen, was 504 Betrieben mit mindestens 2000 Tieren entspricht. Die meisten siedeln sich in der zentralspanischen Provinz an, wo Arbeitsplätze rar und wenige Proteste zu erwarten sind. Doch Tierschützer und örtliche Bürgerbewegungen sowie Abgeordnete der Umweltpartei Equo schlagen Alarm.

Der EU-Parlamentarier Florent Marcellesi hat jüngst eine Anfrage gestellt, die die EU-Kommission jetzt bearbeiten muss: ob Großbetriebe im Niemandsland alle EU-Auflagen zu Tierschutz und Wasserwirtschaft erfüllen, ob sie für die oft direkt benachbarten Natura-2000-Schutzgebiete eine Bedrohung darstellen und ob bei der Vergabe von Betriebsgenehmigungen durch die Rathäuser immer alles mit rechten Dingen zugeht.

900 Euro Monatslohn

"Der starke Zuwachs an Großbetrieben ist eine Bedrohung für Spaniens ländliche Regionen und für den Arbeitsmarkt, das Klima, nachhaltigen Landbau und die Tiere", sagt Marcellesi. Die Ar beitsbedingungen sind laut Salvados miserabel. Metzger schlachten für 900 Euro Monatslohn im Akkord, ohne Anspruch auf Kranken- oder Arbeitslosengeld. Genau das Gegenteil behaupten die Konzerne. "Wovon sollen wir hier denn sonst leben?", fragte ein Firmensprecher jüngst in einem Lokalradio die Hörer, "hierher kommen keine Touristen, und die Landwirtschaft liegt seit Jahrzehnten brach."

Chronischer Wassermangel in Regionen

Die Firma Incarlopsa will eine Autostunde südwestlich von Ma drid in der Region Kastilien-La Mancha mehrere Großbetriebe aufbauen, in denen jedes Jahr 600.000 Schweine gemästet werden und im neuen Schlachthof der Firma enden sollen. 2600 Menschen sollen dort Arbeit finden. Incarlopsa nennt das einen Akt des "Lokalpatriotismus".

Die Menge des verbrauchten Trinkwassers und die Entsorgung von Jauche und Gülle kommentierte der Sprecher jedoch nicht – zwei kritische Punkte, denn die betroffenen Regionen leiden chronisch unter Wassermangel und haben keine großen Anlagen, um die stark nitrathaltigen Abwässer zu reinigen. Viele Gemeinden, in denen oft weniger als 50 Einwohner leben, haben überhaupt keine Kläranlage.

23 Menschen und 2000 Schweine

In einem Dorf nördlich von Madrid, in dem 23 Menschen und 2000 Schweine leben, ist die Situation geradezu irrwitzig. Der Gemeinderat Miguel Ángel Serrano hat jüngst einen Antrag eingereicht, um eine Verordnung zur Abwasser- und Müllentsorgung einzuführen. "Die Einwohner haben es satt, dass hier einfach alles auf die Felder gekippt und unser Grundwasser verseucht wird", sagte er der Onlinezeitung eldiario.es.

Der Antrag wurde abgelehnt. Kein Wunder, Serrano sitzt mit zwei anderen Politikern im Rathaus, der Bürgermeisterin und deren Ehemann. Den beiden gehört der Mastbetrieb im Ort. Der Sohn will neue Großbetriebe bauen, zuständig für die Genehmigung ist der Gemeinderat, in dem seine Eltern die Mehrheit haben.

Serrano hat nun im Provinzgericht eine Klage gegen die Bürgermeisterin eingereicht, wegen Unvereinbarkeit von privaten Interessen und politischem Auftrag.

Vorwürfe der Korruption

Verstrickungen zwischen Politikern und Fleischunternehmern führen zu oft großzügigen Subventionen, die mit Geldern aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung bezahlt werden. Das TV-Programm, das eine Zuschauerquote von 12,8 Prozent erreicht hat, wirft Spaniens Agrarministerin Isabel García Tejerina zudem vor, gemeinsame Sache mit der Fleischlobby zu machen: Inspektoren würden grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung erscheinen, oft würden Betriebe jahrelang überhaupt nicht kontrolliert.

Der besuchte Betrieb hat mittlerweile wichtige Kunden verloren, unter anderem den Schinken- und Wurstfabrikanten El Pozo, der auch Supermärkte wie Billa oder Edeka beliefert. (Brigitte Kramer aus Mallorca, 16.4.2018)