"Die Welt wird immer g'schissener, um mir den Abschied zu erleichtern."

Foto: Rudi Klein

Rudi Klein, "Der Lochgott", € 20 / 144 Seiten. Czernin, 2018

Foto: Rudi Klein

Am Anfang erschuf Gott den Anfang, dann noch so einiges, und am Schluss auch noch das Ende." So ungefähr lesen sich die Glaubenssätze in Rudi Kleins wunderbarem neuem Buch Der Lochgott. "Dazwischen schuf er die Schaufel, den Bagger und den Bohrturm für das Loch." Dort wohnt er jetzt oder besser: Er IST, wie das alle anderen Götter auch tun.

Wir leben in Zeiten, in denen sich für manchen überraschend wieder alles um Götter dreht, um die sinnvolle Frage, welcher von denen dem anderen überlegen ist und wieso genau, und alle sind sie irgendwo unerreichbar oben im Himmel. Anders Rudi Kleins Schöpfung: "Der Lochgott ist so sehr Arschloch wie seine Gläubigen", sagt er. "Er ist mit diesen quasi auf Augenhöhe, ist rachsüchtig, gemein, niederträchtig, eitel. Ein insgesamt ehrlicher Gott also", im Unterschied zu den ganzen anderen Göttern, die von ihren Gläubigen oft übertrieben idealisiert geschaffen wurden.

Klein bei der Präsentation seines Buches im Wiener Lokal Hold.
Foto: Newald

Grundsätzlich hat Klein, der auch für den STANDARD zeichnet, nichts gegen Religionen: "Diverse Hygienevorschriften können einer Gemeinschaft dienlich sein", sagt er. Und auch das "Sich-einmal-in-der-Woche-irgendwo-Treffen" findet er super. Aber dass man auch heute, 2018, noch irgendetwas "Verkündetes", "Tradiertes" wörtlich nehmen kann? Darüber schüttelt er beim Gespräch im Café Classico an der Wiedner Hauptstraße den Kopf, als wir sein neues "Buch der Bücher" (Der Lochgott – Neue Offenbarungen) besprechen.

Erschaffen vor elf Jahren

Erschaffen hat Klein den Lochgott vor elf Jahren. "Steht eh im Vorwort vom ersten Buch, warum. Aber das liest ja keiner!" Seither sind seinem Gott aber "ein paar quantitative Fehler unterlaufen bei der Erschaffung von Kaisern, Königen und Bettlern". Solcherart beschreibt Rudi Klein eine Welt, die ihm nicht mehr so richtig gefallen mag. Eine gewisse Ermüdung gesellt sich bei ihm zum Kulturpessimismus dazu. "Überall der sölbe Schaas, überall die sölben Gschäfta!" Er hat daher seine eigene Theorie zu den Ereignissen und Zeitläuften der letzten Jahrzehnte entworfen, zum Siegeszug des Kapitalismus und zu den damit einhergehenden Problemen: "Die Welt wird immer g'schissener, um mir den Abschied zu erleichtern."

Den eigenen Tod wünscht sich der 67-Jährige so profan wie jeder andere auch: "Tot umfallen. Kein Schläucherl. Nicht die Gemüsevariante." Als er auf die 50 zuging, fing er an, sich mit seinem Ende zu beschäftigen. Gerade zieht er noch einmal um, er hat einen Zehn-Jahres-Vertrag abgeschlossen: "Das wird sich ausgehen!", sagt er. Ärgern muss er sich über Freunde, die ihn bei der Wohnungssuche mit der Frage unterstützten: "Kauf oder Miete?" Als könnte er sich eine Kaufwohnung leisten! Die großen, auch finanziell goldenen Print-Zeiten eines Manfred Deix, den er ausgesprochen schätzte, hat er um ein paar Jahre versäumt. Einmal sagte ein Redakteur zu ihm: "Du bekommst nicht so viel wie der andere, weil du machst weniger Striche!" Selbst in der aufgeklärten, westlichen Welt trifft er immer noch auf ein Kunstverständnis, das den Wert von Kunst am Gewicht der vermalten Farbe bemisst.

Als Heranwachsender besuchte der gebürtige Wiener Galerien und Museen, verbrachte viel Zeit im Mouse Museum, das damals im 20er-Haus untergebracht war, und studierte Claes Oldenburg. Das waren auch die Zeiten, als eine Kunstschaffende von ihm wollte, dass er "mit einem Mann vögelt", und sie wollte dabei zuschauen. Es waren die wilden Zeiten. Klein war so frei, dem Wunsch nicht nachzukommen.

Meister der Zumpferl-Witze

Auch sein Gott, der Lochgott, hat wie alle anderen Götter den Gläubigen Geschlechtsteile geschenkt, mit denen sie zeit ihres Lebens nicht zurechtkommen. Nicht so Rudi Klein selbst; was das angeht, ist er absolut zufrieden: "Ich warte jeden Morgen auf die E-Mails, wo sie mir eine Penisverkleinerung anbieten", lacht er. Wie Pfui-gack-Zeichner Deix ist auch er ein Meister der Zumpferl-Witze. "Die Zumpferln hängen halt messbar an ihren Trägern herum", erklärt Klein das Problem. "Und weil das Zumpferl halt oft versagt, bauen die Männer dann Raketen und Revolver."

Sein Tipp, dem Wahnsinn der Welt zu begegnen: "Insgesamt mehr im Bett bleiben." Am besten im "Kingsize-Bett mit Federkern", das der Lochgott ebenfalls erschaffen hat. Klein hat auch Freunde, die ihn um zwölf Uhr mittags anrufen und fragen: "Hab ich dich aufgeweckt?" Früher druckste er herum, heute sagt er: "Ja!" Langer Schlaf, Mittagsschlaf, Winterschlaf – er ist dabei. Sport lehnt er ab, Kulturevents besucht er immer seltener. "Glück ist das kurzfristige Fehlen von Unglück", lernen wir von seinem Gott. Wie sieht die Glück-Unglück-Bilanz bei Klein selbst aus? "Ich hab's gar net so schlecht erwischt!" (Manfred Rebhandl, 8.4.2018)