Schüler im Kosovo protestieren gegen die Entführung der Lehrer.

Foto: AFP / Armend Nimani

Prishtina/Istanbul – Die Polizisten kamen um halb acht in der Früh und nahmen zwei der Lehrer vor ihren Schülern in der Klasse in Gjakova fest. Vier andere Personen wurden in Prishtina von der Polizei in Gewahrsam genommen. Den fünf türkischen Lehrern und dem Arzt wurde nicht mitgeteilt, weshalb sie verhaftet wurden. Sie wurden auf den Flughafen in Prishtina gebracht. Dort wartete bereits ein kleiner Privatflieger mit türkischen Geheimdienstlern.

Den Männern wurde ein Sack über den Kopf gestülpt, sie wurden in Handschellen ins Flugzeug gesetzt. Dann wurden sie aus dem Kosovo ausgeflogen. Die Agenten sollen auch Elektroschocker verwendet haben. Dies erzählt der Direktor der Mehmet-Akif-Schule in Prishtina, Nazmi Ulus, dem STANDARD. Zwei Stunden später, um halb zehn Uhr des 28. März, war die Entführung gelaufen und die Männer auf dem Weg in die Türkei.

Ihnen wird vorgeworfen, Teil der Bewegung um den Prediger Fettulah Gülen und am Putschversuch 2016 beteiligt gewesen zu sein. Die türkische Regierung bezeichnet die "Rückkehr" der "Gülenisten" aus dem Kosovo als großen Erfolg. Vizepremier Bekir Bozdag sagte, der Geheimdienst habe bisher 80 Mitglieder der "Terrororganisation Feto" aus 18 Ländern in die Türkei gebracht.

Die Entführung der sechs Männer aus dem Kosovo war allerdings die erste dieser Art in Europa. Bisher hatten sich die Behörden in Südosteuropa dem Druck der Türkei nicht gebeugt – doch nun wandte der türkische Geheimdienst offenbar einen Trick an. Medienberichten zufolge soll den sechs Männern illegale Geldtransfers vorgeworfen werden. Einer von ihnen soll 60 Millionen Euro von einem Konto auf ein anderes verschoben haben. Die kosovarische Polizei soll vom Geheimdienst nur informiert worden sein, dass es sich um Kriminelle handle. Die Gülen-Bewegung sei kein Thema gewesen.

Angesichts dessen, dass auch im Kosovo der Druck auf Gülenisten hinreichend bekannt ist, scheint das aber nur bedingt glaubwürdig. Vergangenen Herbst war bereits einmal eine Auslieferung eines "Gülenisten" von der Türkei verlangt worden. Die kosovarische Staatsanwaltschaft hatte sich aber dagegengestellt.

Untersuchungskommission

Das kosovarische Parlament wird mit einer Untersuchungskommission den Vorfällen jedenfalls nachgehen. Schließlich hatte sogar Premier Ramush Haradinaj angegeben, nichts von den Abschiebungen gewusst zu haben.

Direktor Ulus betont, dass gegenüber den Festgenommenen der Vorwurf des illegalen Geldtransfers nie erwähnt worden sei. "Wir weisen alle diese Vorwürfe zurück", sagt Ulus. "Im Übrigen sollten die sechs Personen bei solchen Vorwürfen im Kosovo vor Gericht kommen und nicht in der Türkei." Die Angehörigen – alle sechs Männer haben Familie im Kosovo – dürfen keinerlei Kontakt zu den Verhafteten aufnehmen, die sich in einer Polizeistation in Istanbul befinden. Laut Ulus "sind die Familien tief betroffen". "Sie überlegen, ob sie im Kosovo um Asyl ansuchen." Ulus verlangt eine "Garantie für unsere Sicherheit hier".

Im Kosovo gibt es seit dem Jahr 2000 fünf Schulen, die der Gülen-Bewegung nahestehen. (Adelheid Wölfl, 7.4.2018)