Die National Dance Company Wales mit "Tundra".

Foto: Rhys Cozens

Dunkel ist die Bühne, nur ein scharf begrenztes rotes Lichtquadrat glüht auf dem Boden. Darauf dreht sich langsam eine folkloristisch kostümierte Figur wie ein Gespenst mit Fechtmaske, in buntem Oberteil und bodenlangem blauem Rock.

Aus dem Off ertönt ein Liedchen, Kumushki (Usbekisch für "Silber"), gesungen von Olga Sergeeva. Deren filigrane Stimme löscht das rote Licht und wird selbst von Glockengeläut, hohlem Hall und elektronischen Echos verschluckt, bevor zwei dünne Neonröhren acht Klons des Geistes sichtbar werden lassen.

So beunruhigend beginnt der ungewöhnliche Tanzabend der in unseren Breiten durchaus exotischen National Dance Company Wales, die am Donnerstag beim Tanztage-Festival im Linzer Posthof gastierte. Zu verdanken ist diese Entdeckung dem Posthof-Boss Wilfried Steiner, der bis Ende April noch die São Paulo Dance Company und die Youngsters-Gruppe von Hofesh Shechter nachlegt.

Aufgeben von Individualität

Mit der unheimlichen Geisterscheinung leitet die walisische Tanzformation auf ihrem "roten Platz" Tundra ein. Eine hinreißende Arbeit für acht Tänzerinnen und Tänzer des 36-jährigen spanischen Choreografen Marcos Morau. Uraufgeführt wurde das Stück im Vorjahr zum Jahrestag der Russischen Revolution. Das Oktett bildet erst eine Formation, die an über den Boden gleitende Schachfiguren erinnert, bevor sich die Tänzer in einer Reihe zu einem kollektiven Körper zusammenschließen.

Gemeinsam formen sie exakte Muster und Figuren, aus denen eine verführerische Ästhetik, aber auch die Ambivalenz des Aufgebens von individuellem Handeln ablesbar wird. Dabei bleibt die Atmosphäre düster, denn die Revolution hat ihr Scheitern bis heute nicht beendet. (ploe, 7.4.2018)