Mit einem "Rammstoß" gegen ein feindliches Schiff hatte Admiral Wilhelm von Tegetthoff in der Seeschlacht zu Lissa 1866 geglänzt. Statt dorthin, wo es kracht, lenkt Anton Romakos Darstellung der Schlacht den Blick allerdings auf die Brücke des Schiffs.

Foto: Belvedere, Wien

Wien – Kann man eine historische Seeschlacht in ein Gemälde fassen, in dem keine Schiffsflotten und kein Meer zu sehen sind? Uns Heutigen, sowieso ans Abstrakte Gewöhnten, fielen hierzu wohl Lösungen ein. Den Kunstbetrachtern im Wien der 1880er-Jahre erschien der Gedanke allerdings einigermaßen abwegig. Darum waren die Zeitgenossen sehr irritiert von Anton Romakos Historiengemälde Tegetthoff in der Seeschlacht bei Lissa, als dieses 1882 im Künstlerhaus gezeigt wurde.

Mit einem nie zuvor gesehenen "Rammstoß" hatte Konteradmiral Wilhelm von Tegetthoff in dieser Schiffsschlacht gegen die Italiener anno 1866 geglänzt. Und penibel bemühten sich die Braven unter den Historienmalern darum, diese Strategie en detail nachvollziehbar zu machen. Nicht so der Querkopf Romako: Die Einzelheiten des Zusammenkrachens zweier Schinakel klammert sein Bild aus; stattdessen lenkt es den Blick nach hinten, auf die Schiffsbrücke. Wir betrachten Tegetthoff und Crew, gewahren Angespanntheit, Entschlossenheit, Kaltblütigkeit in den Gesichtern und Körpern in jenem Augenblick, da der Rammstoß kurz bevorsteht.

Die Spannung zwischen flächigen und plastischen Bildteilen prägt viele Bilder Anton Romakos. Bild: Italienisches Fischerkind (1873/1875).
Foto: Belvedere, Wien

Ein "früher Expressionist"

Das "Wesentliche" eines Historiengemäldes bloß in der Fantasie des Betrachters stattfinden zu lassen, auf psychologische Vorgänge zu fokussieren – das war für die Sehgewohnheiten der Zeit eine Überforderung. Romako erntete im von Hans Makart dominierten Wien vernichtende Kritiken. Erst 1905 sollte der Künstler posthum zu Anerkennung finden, ihn Oskar Kokoschka als "frühen Expressionisten" und Vorbild bezeichnen. Aus heutiger Sicht kann das kanonisch gewordene Gemälde etwa für eine Blickverschiebung weg von einer "objektiven" Sicht auf die Historie und hin zu einer persönlichen Reflexion der Geschichte stehen.

Allein Romakos Tegetthoff-Darstellung und deren historischem Kontext widmete 2010 das Belvedere eine Ausstellung. Auf welchen Wegen Romako zu diesem Bild fand, diese Frage beantwortet indes die aktuelle Retrospektive des Leopold-Museums. Mit Porträts, Landschafts- und Genredarstellungen hatte Romako reüssiert und handwerkliche Meisterschaft bewiesen. Stets hatte er darin aber auch peu à peu die Suche nach einem der Innerlichkeit verbundenen Realismus vorangetrieben.

Durch die Nutzung frontaler statt seitlicher Ansichten erzeugte Romako bei Porträts eine besondere Unmittelbarkeit. Dieses undatierte Bild zeigt seine Tochter Mathilde.
Foto: Privatbesitz/Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger

Aufgelöste Räumlichkeit

Die Blicke italienischer Bauernmädchen sind es, die einen zunächst in der Schau umfangen, heraus aus bukolischen Gemälden. Entstanden sind sie in jenen zwanzig Jahren, die Romako – wirtschaftlich erfolgreich – in Rom verbrachte. Und ja, man braucht Kitschresistenz, um an diesen Bildtafeln zu den Stilneuerungen vorzudringen, die Romako erprobte. Finden kann man sie etwa in seiner kühnen Verbindung grafischer und malerischer Elemente: Immer wieder löste er Teile seiner quasifotografisch wiedergegebenen Bilder in abstrakte Formen auf, nahm den Bildern so die Räumlichkeit. Es ist dies eine Strategie, die man auch im Tegetthoff-Bild wiedererkennen wird, das in einer eigenartig flachen Szenerie verortet ist.

Moderne Kriegsführung trifft Totentanz: 1882/85 schuf Anton Romako das Bild "Totentanz auf dem Schlachtfeld vor brennenden Ruinen".
Foto: Belvedere, Wien

Ohne Kompromisse

Nach seiner Rückkehr nach Wien 1876 versuchte Romako, in der Historienmalerei Fuß zu fassen, seinem eigentlichen Herzensmétier – erfolglos. Zu wenig aufgeschlossen war die Kunstwelt; zu wenig gewillt, Kompromisse einzugehen, war Romako. Stattdessen wurden seine Darstellungen immer merkwürdiger – etwa, wenn er die moderne Kriegsführung mit Totentanz-Skeletten verknüpfte.

1889 starb er in Verarmung. Seine Bildsprache hatte er unterdessen in Porträts oder einnehmenden Kinderdarstellungen weiterentwickelt. In Erinnerung bleibt insbesondere auch seine Darstellung eines Mädchens, einen Wildbach überschreitend (1880/82): Angetan, im Betrachter das Gefühl größter Gefahr zu erwecken, zeigt es ein Mädchen, das auf einem bemoosten Holzstück über einen reißenden Bach balanciert. Bemerkenswert ist daran etwa die Struktur des Hintergrundes, der für Betrachter einen zusätzlichen Abgrund andeutet: jenen, der in die Tiefe des Bildes führt. (Roman Gerold, 6.4.2018)

Ein Bild, das ängstliche Naturen durchaus für einige Augenblicke unrund machen kann: Anton Romakos "Mädchen, einen Wildbach überschreitend" (1880/82).
Foto: Leopold Museum, Wien/Foto: Manfred Thumberger