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Pioniere der US-Nationalgarde errichten Grenzbefestigungen (Archivbild aus dem Jahr 2006).

Foto: AP/Khampha Bouaphanh

Dass Donald Trump gern übertreibt, weiß man nicht erst seit gestern. Wie er die Entsendung militärischer Einheiten an die Grenze zu Mexiko begründet, ist ein Paradebeispiel für seine Art, die Dinge verbal auf die Spitze zu treiben. Doch so düster, wie er die Lage skizziert, hat selbst er schon seit geraumer Zeit nicht mehr geklungen. Der amerikanische Präsident ist wieder im Wahlkampfmodus. Er ist wieder dort angelangt, wo er vor knapp drei Jahren angefangen hat.

Als Symbol heraufziehender Gefahr dient ihm eine Karawane von gut tausend Migranten, die meisten aus Honduras, die sich seit Ende März vom Süden Mexikos Richtung Norden bewegt. Und um zu erklären, warum er bis zu viertausend Soldaten der Nationalgarde an die Südgrenze seines Landes beordert, bezieht sich Trump explizit auf seine allererste Wahlkampfrede.

Vorwürfe gegen Amtsvorgänger

Im Juni 2015, da war er für viele nur ein schräger Außenseiter, sprach er im Foyer seines New Yorker Wolkenkratzers von den Vergewaltigern, die Mexiko in die USA schicke. "Ich habe das Wort Vergewaltigung benutzt", kehrt er nun zurück zu seinem Ausgangsmotiv. Man habe ihm damals überzogene Härte vorgeworfen, doch am Beispiel der Karawane könne man sehen: "Frauen werden in einem Maße vergewaltigt, wie man es noch nie erlebt hat."

Wie schon so oft unterstellt er seinen Amtsvorgängern, eher an die Interessen anderer Nationen gedacht zu haben als an die der eigenen. Er aber werde Amerika verteidigen, seine Grenzen schützen, eben auch mit militärischen Mitteln. "Das ist ein großer Schritt. Wir haben das bisher noch nicht gemacht."

Auch Bush und Obama schickten Militär

Letzteres ist ebenso falsch wie das Zerrbild, das Trump von dem Tross zeichnet, der im Übrigen seit Tagen in Mexiko-Stadt pausiert. Schon George W. Bush und Barack Obama setzten die Nationalgarde in Marsch, um in Kalifornien, Arizona, New Mexico und Texas die Polizisten der Border Patrol zu unterstützen.

Bush befahl von Juni 2006 bis Juli 2008 rund sechstausend Gardisten ins Grenzgebiet, während Obama im Sommer 2010 etwa 1.200 mobilisierte. Nur waren die Dimensionen, vor allem in der Spätphase der Ära Bush, damals ganz andere als heute. Bevor das Platzen der Immobilienpreisblase den Bauboom zwischen San Diego und Miami jäh beendete, hatte der Zustrom illegaler Einwanderer aus Zentralamerika, viele als Billigarbeiter auf Baustellen beschäftigt, einen Höhepunkt erreicht.

Im Jahr 2006 zählte man über eine Million Fälle, in denen Menschen beim Versuch des Grenzübertritts verhaftet wurden. 2017 sank die Zahl auf circa dreihunderttausend, der niedrigste Wert seit den frühen Siebzigern. Zwar geht der Trend in diesem Frühjahr wieder nach oben, doch am Gesamtbild ändert es bislang nicht viel. Zudem sind heute rund 19.000 Agenten der Border Patrol im Einsatz, um den Grenzstreifen zu überwachen, während es vor zwölf Jahren gerade mal 12.000 waren.

Militär darf keine Polizeiaufgaben übernehmen

Trumps Weichenstellung, sie ist denn auch eher ein Kapitel klassischer Symbolpolitik. Woran auch er nichts ändern kann, sind Gesetze, die seinen Spielraum einschränken. Laut einem Paragrafenwerk aus dem Jahr 1878, dem Posse Comitatus Act, darf das Militär auf amerikanischem Boden keine Polizeiaufgaben übernehmen. Verabschiedet nach dem Bürgerkrieg, als Truppen des Nordens die unterlegenen Südstaaten besetzt hatten, gehört die Novelle derart unantastbar zum politischen System des Landes, dass manche sie irrtümlich für einen Verfassungsartikel halten. Weder Armee noch Nationalgarde dürfen also illegale Einwanderer festnehmen. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, der Border Patrol zur Seite zu stehen. Soldaten als eine Art Allzweckwaffe, wie Trump es bisweilen beschreibt: An den Realitäten geht es vorbei.

Ohnehin sind es in erster Linie wahltaktische Motive, die ihn handeln lassen. Im November entscheiden die Kongresswahlen darüber, ob er ungebremst weiterregieren kann oder aber einen Gang zurückschalten muss, falls die Republikaner ihre Mehrheit im Parlament verlieren. Nationalgardisten am Rio Grande und in der Wüste Sonora: Trump spricht von einer Ersatzlösung für den Mauerbau, der auf der Stille tritt, weil ihm die Legislative die nötigen Finanzmittel verweigert. Mit anderen Worten, es ist eine Beruhigungspille für seine Anhänger – verkauft als Aufputschmittel vor dem anstehenden Votum. (Frank Herrmann aus Washington, 6.4.2018)