Bild nicht mehr verfügbar.

Erste Schritte in die Freiheit – aber unter Auflagen. Der ehemalige katalanische Regierungschef verließ am Freitag das Gefängnis im norddeutschen Neumünster. Er darf Deutschland aber nicht verlassen.

Foto: AP / Emilio Morenatti

Kurz vor 14 Uhr trat der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont am Freitagnachmittag vor die Justizvollzugsanstalt im schleswig-holsteinischen Neumünster und gab ein kurzes Statement ab. Auf Deutsch sagte er: "Ich möchte mich bei allen bedanken für Ihre Hilfe und Solidarität." Am 25. März hatte ihn die Polizei auf der Autobahn A7 nahe der dänisch-deutschen Grenze festgenommen. Grundlage dafür war ein von Spanien erlassener europäischer Haftbefehl.

Frage: Warum kam Puigdemont frei?

Antwort: Das Oberlandesgericht Schleswig, das darüber zu befinden hatte, sah keine Grundlage für eine Auslieferung an Spanien hinsichtlich des Vorwurfs der "Rebellion". Der in Deutschland vergleichbare Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, "weil es an dem Merkmal der Gewalt" fehle, so das Gericht. Es habe zwar bei den Demos in Katalonien Gewalttätigkeiten gegeben, die Puigdemont zuzurechnen seien – aber nicht so heftige, dass die spanische Regierung zur Kapitulation gezwungen worden sei.

Frage: Ist Puigdemont damit völlig reingewaschen?

Antwort: Nein. Zwar kann ihm nun in Spanien kein Prozess mehr wegen Rebellion gemacht werden, doch der Vorwurf der Veruntreuung bleibt. Dieser sei, so die Richter, "nicht von vornherein unzulässig". Darauf stehen maximal acht Jahre Freiheitsentzug, bei Rebellion wären es 30 Jahre gewesen.

Frage: Darf der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien Deutschland jetzt verlassen?

Antwort: Nein. Das Gefängnis konnte er hinter sich lassen, da die Richter der Ansicht sind, die Fluchtgefahr sei nun, da der Vorwurf der Rebellion nicht mehr greife, "deutlich herabgemildert". Puigdemont musste eine Kaution von 75.000 Euro hinterlegen, diese war aus der "Solidaritätskasse" der ANC (Katalanische Nationalversammlung) und des Kulturvereins Omnium Cultural bezahlt worden. Puigdemont muss sich zudem einmal wöchentlich bei der Polizei ist Neumünster melden.

Frage: Wie geht es nun weiter?

Antwort: Am Zug ist nun juristisch wieder die Generalstaatsanwaltschaft. Sie müsste nun beim Oberlandesgericht Schleswig eine Prüfung darüber beantragen, ob eine Auslieferung wegen Untreue rechtlich zulässig ist. Bisher hat das Gericht nur über den Auslieferungshaftbefehl entschieden. Es will aber für den Vorwurf der Untreue aber noch mehr Informationen von den spanischen Behörden erhalten.

Frage: Wie reagierte Puigdemont?

Antwort: Er sagte, es sei eine "Schande für Europa", dass es politische Gefangene gebe. Es gebe keine Rechtfertigung für die spanische Zentralregierung, nicht in Gespräche mit den katalanischen Führern über eine Lösung des Konflikts zu starten. Sein Appell: "Die Stunde des Dialogs ist gekommen."

Frage: War Berlin in die Entscheidung in Schleswig-Holstein involviert?

Antwort: Dies wird von der deutschen Regierung bestritten. "Das Verfahren liegt in den Händen der Justiz, und da liegt es gut", erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Und: "Die Frage der Einbeziehung des Bundes stellt sich bei diesem Thema nicht." Die deutsche Regierung ist der Meinung, dass der Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien "innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung gelöst werden muss".

Frage: Wie reagiert Madrid?

Antwort: Nach der allfreitäglichen Kabinettssitzung wiederholte der Sprecher der spanischen Regierung, was die stellvertretende Regierungschefin Soraya Saénz de Santamaría bereits am Vortag erklärt hatte: Man akzeptiere richterliche Entscheidungen, "egal wie sie aussehen, auch dieses Mal werden wir das tun". Alles wartet jetzt darauf, ob Ermittlungsrichter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof in Madrid erneut den europäischen Haftbefehl zurückzieht. Im Dezember hatte er diesen außer Kraft gesetzt, als sich in Belgien eine ähnliche Entwicklung abzeichnete.

Frage: Was bedeutet die Entscheidung in Deutschland für die anderen Angeklagten in Spanien?

Antwort: Sie ist ein schwerer Schlag für Llarena – zumal aus Belgien, Schottland und der Schweiz, wo sich fünf weitere Gesuchte aufhalten, ähnliche Urteile zu erwarten sind. In Spanien könnte dies zur Folge haben, dass auch die restlichen zwölf der Rebellion Angeklagten nicht wegen dieses Vergehens verurteilt werden. Neun davon sitzen in U-Haft. Ein Teil soll sich auch der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gemacht haben. Zwölf weiteren werden nur Veruntreuung und Ungehorsam vorgeworfen. (Birgit Baumann aus Berlin, Reiner Wandler aus Madrid, 6.4.2018)