Die Marke Audemars Piguet genießt einen gewissen Kultstatus unter Uhrenfans.

Foto: Audemars Piguet

Vor allem die Royal Oak – hier zu sehen in der Version als Taucheruhr Royal Oak Offshore.

Foto: Hersteller

François-Henry Bennahmias ist seit 2012 CEO von Audemars Piguet.

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Wenn es darum geht, vor Publikum zu sprechen, ist François-Henry Bennahmias voll in seinem Element. Seit 2012 ist er CEO der 1875 gegründeten Uhrenmarke Audemars Piguet, eine der letzten unabhängigen der Branche. Er ist bekannt für seine flotten Auftritte und Späßchen. Ein Beispiel: Die Frage, ob es ihn nicht störe, dass eine ebenfalls auf dem SIHH vertretene große Uhrenmarke Zeitmesser präsentierte, die dem Flaggschiff von Audemars, der Royal Oak, frappierend ähnlich sehen, beantwortet er mit einem herzhaften "Who cares!". Das ist undiplomatisch und erfrischend in einer Branche, deren Vertreter tendenziell steif rüberkommen.

Abgesehen davon hat der 53-Jährige allen Grund, auch bei dem Gespräch mit dem STANDARD bester Laune zu sein, denn 2017 lief es sehr gut für AP, wie die Marke bei Fans heißt. "Unser Umsatz kratzt an der Milliarden-Franken-Marke. Das Wachstum betrug zwölf Prozent", sagt Bennahmias.

Marge über eigenen Boutiquen

Das sind Zahlen, die manche Konkurrenzmarke gerne vorweisen möchte, quälte sich die Branche doch in den vergangenen Jahren durch eine Konjunkturflaute. Hinzu kommt, dass AP nur 40.000 Uhren pro Jahr herstellt. Und keine mehr. Punkt. Da lässt der Chef nicht mit sich reden. "Wir haben auch nicht an der Preisschraube gedreht", hält Bennahmias fest. Sondern? "Wir holen uns die Marge mit eigenen Boutiquen zurück." Märkte, die nicht lukrativ sind, werden nicht mehr bedient. Deswegen hat AP den österreichischen Markt verlassen.

Die Marke ist zurzeit in 74 Ländern vertreten. 95 Prozent seiner Uhren verkauft sie in gerade einmal vierzig Ländern, schildert der gebürtige Franzose: "Das heißt, in den restlichen 34 Ländern verkaufe ich gerade einmal 4.000 Uhren. Das macht keinen Sinn." Also habe man beschlossen, einige Märkte zu verlassen und die Nachfrage in den boomenden Märkten, allen voran den USA, besser zu bedienen. In einer schlanken Firma mit kurzen Kommunikationswegen lassen sich solche Entscheidungen schneller treffen als in einem Großkonzern.

Zwei-Minuten-Tag

Apropos Kommunikation: Eine seiner ersten Handlungen als frischgebackener Geschäftsführer war es, den Zwei-Minuten-Tag einzuführen. An diesem Tag kommen alle Mitarbeiter einzeln für zwei Minuten in sein Büro, berichten über ihre Befindlichkeit und dürfen eine Botschaft an den CEO formulieren. So finde man schnell heraus, wenn etwas im Betrieb nicht stimmt, sagt er. Kann sein, mutmaßt "Bilanz", dass dieser Führungsstil aus seiner Zeit in der Modebranche resultiert, denn Bennahmias arbeitete unter anderem für Giorgio Armani.

Natürlich, beruhigt Bennahmias dann, ist nicht auszuschließen, dass AP wieder nach Österreich zurückkommen könnte: "Wenn wir das Gefühl haben, wieder ein gutes Geschäft machen zu können." Benchmark: 200 bis 250 Stück verkaufte Zeitmesser im Jahr.

Gebrauchte Modelle

Wie alle Marken möchte auch Audemars Piguet in den Onlinehandel einsteigen. Alles mit Maß und Ziel: Erst einmal schauen, wie es bei der Konkurrenz läuft. Ende des Jahres soll es aber so weit sein, dann gibt es kein Zurück mehr. Bis dahin müsse man dieses neue Tool beherrschen, all die Abläufe und das Drumherum wie Logistik, Zoll etc. Im Zusammenhang mit Onlineverkäufen poppt in letzter Zeit häufig das Thema Gebrauchtuhrenmarkt auf. Wie geht AP damit um? "'Pre-owned' ist das nächste große Ding. Wir nehmen uns hier die Autoindustrie zum Vorbild", sagt der ehemalige Profigolfer. In spätestens drei Jahren soll es ein entsprechendes Angebot für gebrauchte Modelle von AP geben.

So gesehen muss er sich keine Sorgen machen, denn der Bestseller der Marke, die Royal Oak, Markteinführung 1972, verkauft sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln – egal ob neu oder gebraucht. Aber ist es nicht riskant, immer nur auf ein Pferd zu setzen? "Ja, aber wenn das Pferd immer wieder gewinnt, warum sollte man so dumm sein und es austauschen? Würden Sie Hermès dieselbe Frage stellen, wenn es um die Birkin geht?"

Neues Modell 2019

Zumindest hätte es ja sein können, dass man in Le Brassus bereits ein neues Ass im Ärmel hat. Unwillkürlich huscht ihm da ein Grinsen übers Gesicht. Irgendwas ist da im Busch. Nur reden will er darüber nicht. Oder darf er nicht? "Nur um das festzuhalten: Ich bestimme, worüber gesprochen werden darf und worüber nicht. Und in diesem Fall erlaube ich mir nicht, darüber zu sprechen." 2019, so viel lässt er sich entlocken, soll es ein neues Modell geben.

Auch die nächsten 40.000 Uhren werden sich verkaufen. Genießt die Marke doch einen gewissen Kultstatus unter Uhrenfans, der auch in den sozialen Netzwerken fleißig verbreitet wird. Diesem ganzen Zinnober steht er allerdings skeptisch gegenüber: "Warum ist es wichtig, Millionen Follower auf den unterschiedlichen Social-Media-Kanälen zu haben? Jeder Träger einer AP-Uhr ist ein besserer Botschafter für uns als ein Follower." (Markus Böhm, RONDO exklusiv, 17.7.2018)