Wiens bekannteste Pferde können nicht einfach irgendein Wasser trinken. Die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule erhalten seit 2000 Granderwasser. Seit es in jedem Stall eine Tränke mit dem "belebten" Wasser gibt, würden die weißen Pferde mehr trinken und ihre Leistung habe sich "spürbar verbessert", erklärt Oberstallmeister Johannes Hamminger auf der Grander-Website.

Aber nicht nur unsere Top-Tiere trinken Granderwasser. Auch Landeskliniken und Schulen setzen auf das Wasser, das angeblich Informationen speichert und "Wunder" wirkt. Im Spital Steyr oder im Landesklinikum Deutschlandsberg fließt es durch die Leitungen. In der HLF Krems und in der HTL Eisenerz trinken die Schüler aus einem Brunnen davon.

"Völliger Humbug"

Wissenschaftlich sei es völliger Humbug, sagt Florian Aigner, Physiker und Mitglied der österreichischen Gesellschaft für kritisches Denken: "Wasser ist Wasser. Man kann es chemisch und physikalisch untersuchen: H2O bleibt H2O." Eine Verbindung von Wassermolekülen sei derart kurzlebig, dass es "absurd" sei zu denken, Wasser könne auch nur eine Minute Informationen speichern. "Eine Theorie für den Erfolg ist, dass es an die christliche Tradition des Weihwassers anknüpft", sagt Aigner: "Wir sind gewohnt, dass es ein wundersames Heilwasser gibt."

Mit Religion könnte auch der allgemeine Boom zusammenhängen, meint Aigner. Esoterik sei ein Ersatz. "Die klassischen Religionen haben an Bedeutung verloren, weshalb es einen steigenden Bedarf nach Werten gibt." So glauben laut einer Market-Umfrage im Auftrag des STANDARD 72 Prozent an Karma, an Gottes Allmacht nur 39 Prozent. Vor allem Energetiker erleben einen Aufschwung. Das habe auch juristische Gründe. Es ist ein freies Gewerbe. Jeder kann sich als Energetiker anmelden. Waren es 2013 15.000, sind es nun in Österreich laut Wirtschaftskammer 17.066. Dazu kommen mittlerweile 610 Tierenergetiker und 1270 Lebensraumconsulter – worunter etwa Feng-Shui-Berater zählen. Die Zahl der Energetiker übertrifft damit die der niedergelassenen Allgemeinmediziner.

Steuergelder für Energetik

Das aktuellste Beispiel ist die Affäre rund um das Krankenhaus Nord. Ein Energetiker will einen "Schutzring" rund um das Spital gezogen haben und stellte dafür 95.000 Euro in Rechnung. "Es ist von maximaler Absurdität, dass es sich um ein Krankenhaus handelt, das ein Hort wissenschaftlichen Handelns sein sollte", sagt Aigner. Dass niemand erklären könne, wie ein solcher Energiering genau entsteht, spiele Energetikern in die Hände. Aber: "Physikalisch gesehen gibt es keinen Mechanismus, der nur im Entferntesten in Frage kommen würde, bei so einem Ring zu funktionieren."

Schon früher wurden Steuergelder für Energetiker ausgegeben. So beauftragte 2003 die Asfinag Wünschelrutengeher um ein unfallanfälliges Stück der Arlbergschnellstraße in Vorarlberg zu "entschärfen". Damals hieß es, Maßnahmen, mit Quarzsteinen am Straßenrand oder Magnetfeldscheiben an den Leitschienen, die Erdstrahlen von der Straße ableiten, gebe es seit Jahren.

Dass die Anfälligkeit für Esoterik zunimmt, sieht auch Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenberatung. Vor allem die Medizin- und Medikamentenfeindlichkeit sei gestiegen. Rechtlich könne man nur selten dagegen vorgehen. "Das fällt unter Glaubensfreiheit", sagt Schiesser. In wenigen Fällen komme es aber zu Verurteilungen wegen Okkultbetrugs. Dafür sei unter anderem ein konkretes Heilsversprechen nötig. "Das Versprechen passiert oft unter vier Augen und da auch versteckt", sagt Schiesser. So würden Geschichten von "Geheilten" als Hinweis auf Heilung herhalten. Die Bundesstelle für Sektenfragen beschäftigt sich laut Schiesser im Moment vor allem damit, wie man Konsumenten vor solchen esoterischen "Behandlungen" schützen kann.

Nationale und internationale Kritik löste im Jahr 2010 der Dokumentarfilm Am Anfang war das Licht des österreichischen Regisseurs P. A. Straubinger aus. Er porträtierte mehrere Personen, die angeben, sich nur von Licht ernähren zu können. Unter anderem der indische Yogi Prahlad Jani. Er würde auch keinen Urin mehr abgeben. Im Gegensatz dazu stehen Messungen des Harnblasenvolumens. Sie zeigen Schwankungen und einen starken Abfall, was nahelegt, dass Jani urinierte. Straubinger erwähnte nicht, dass die Esoterikerin Jamusheen ihr Experiment abbrechen musste, da sie Gefahr lief zu dehydrieren.

Probleme mit cineastischen Beiträgen hatten 2013 auch die Schweizer. Nicht nur, dass das Cosmic Cine-Festival in Zürich wissenschaftlich fragwürdige Beiträge zu Kornkreisen und Botschaften aus dem Jenseits zeigte, die Verkehrsbetriebe Zürich sponserten die Veranstaltung. Ob das Unternehmen wusste, welche Inhalte sie damit zum Teil unterstützten, wurde nie öffentlich.

Homöopathie im Spital

Das Cosmic Cine findet noch immer statt: diesen Monat in München. Neben dem Hollywoodstreifen Wunder werden Dokumentarfilme zu esoterischen Themen laufen. Eine Doku befasst sich mit der Heilkraft der Homöopathie auf Krebspatienten. Ein Punkt, den man laut Ulrich Berger, Teil der Gruppe Die Skeptiker und Wirtschaftswissenschafter, jedenfalls nicht unterschätzen dürfe (siehe auch wissenschaftliches Glossar unten). Für Berger ist es "skurril", dass etwa Bachblüten ins Energetikergewerbe fallen. Homöopathie, die "auf derselben 'feinstofflichen' Ebene wirkt", also nur als Placebo, werde hingegen als seriöse Alternativmedizin behandelt und gefördert. So gibt es etwa am Wiener AKH eine Homöopathie-Ambulanz für Krebspatienten, die Ärztekammer vergibt ein Diplom dazu, die Donau-Uni Krems hat den Master "Natural Medicine", die FH Campus Wien jenen zu "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" im Studienangebot, in beiden Lehrgängen wird Homöopathie vermittelt. Für Berger ein "Steuergeldskandal und ein akademischer Skandal".

Mit Heilung befasst sich auch die norwegische Prinzessin Märtha Louise – und zwar durch Gespräche mit Engeln. Die norwegische Öffentlichkeit zeigte sich irritiert, ob der spirituellen Seite der ältesten Tochter König Haralds V. Vor allem als sie 2014 mit der US-Hellseherin Lisa Williams kooperierte, die angibt, mit Toten in Kontakt zu stehen. Märtha Louise ruderte zurück: Ihre Engelsschule "Soulspring" würde nur mit Schutzengeln, nicht mit dem Jenseits sprechen. Den Titel "Königliche Hoheit" legte sie ab. Der minimierte Titel würde es ihr erlauben, ihrem Geschäft freier nachzugehen. So erhielt sie im Zuge dessen keine öffentlichen Zuwendungen mehr, wie es der royalen Familie zusteht. Laut norwegischer Boulevardzeitung Dagbladet verdient sie nun einen bürgerlichen Lohn, den sie sich von ihrer Engelsschule auszahlen lässt. 2016 waren das rund 82.000 Euro. (Bianca Blei, Oona Kroisleitner, 7.4.2018)